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Literaten über Cuxhaven: Unterschied zwischen den Versionen

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(Friedrich Oscar Ruge)
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"Warum nicht, meine Damen? Ich bin Ungar, heiße Franz Liszt, spiele passabel Klavier, bin nicht weniger gut erzogen als ein Anderer, und verbürge mich für meine Gefährten und für mich selbst, was soviel sagt, wie - fast nichts." <br>
 
"Warum nicht, meine Damen? Ich bin Ungar, heiße Franz Liszt, spiele passabel Klavier, bin nicht weniger gut erzogen als ein Anderer, und verbürge mich für meine Gefährten und für mich selbst, was soviel sagt, wie - fast nichts." <br>
 
Auf diese Rede war nichts zu erwidern. Sogleich machte das Orchester Leben; der Rhythmus wirkte mehr und mehr, er reißt die Widerstrebenden mit sich fort und erschüttert die festesten Grundsätze. Und bald - oh großer Strauß! - senken alle hübschen Cuxhavenerinnen ihre blonden Köpfe gegen die Schulter der Schiffbrüchigen und überlassen deren nervigten Armen ihre schlanken Taillen. Noch eine Stunde, nur eine Stunde! und alle unsere `Don Juan´ hatten ihre »Haidee« gefunden! Warum legte der Sturm sich so schnell? Warum wehte kein Nordwind mehr?
 
Auf diese Rede war nichts zu erwidern. Sogleich machte das Orchester Leben; der Rhythmus wirkte mehr und mehr, er reißt die Widerstrebenden mit sich fort und erschüttert die festesten Grundsätze. Und bald - oh großer Strauß! - senken alle hübschen Cuxhavenerinnen ihre blonden Köpfe gegen die Schulter der Schiffbrüchigen und überlassen deren nervigten Armen ihre schlanken Taillen. Noch eine Stunde, nur eine Stunde! und alle unsere `Don Juan´ hatten ihre »Haidee« gefunden! Warum legte der Sturm sich so schnell? Warum wehte kein Nordwind mehr?
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==Plinius und Tacitus über das nordeutsche Küstenland==
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Beide römischen Reisenden und Geschichtsschreiber aus der Zeit um 100 n. Chr. äußern sich in ihren Aufzeichnugen zum norddeutschen Küstenland. Plinius der Ältere beschreibt aus eigener Ansicht die Landschaft und Lebensweise seiner Bewohner. Er hatte an eine Küstenfahrt mit der Römischen Flotte teilgenommen, die ihn bis in die Elbmündung gebracht hatte. Bei ihm sind die Bewohner durchweg als Chauken bezeichnet. Tacitus beschreibt eher die Einwohner selber, jedoch von Hörensagen und eher idealisiert.
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'''Plinius der Ältere'''
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Naturgeschichte, Buch 16. Kap. 1
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"Im Norden haben wir den Volksstamm der Chauken gesehen, welche die großen und die kleinen <ref>Evtl. die Geest- und die Marschenbewohner</ref> heißen. Da treibt auf ungeheurer Strecke, zwei Mal in den Abschnitten jedes Tages und jeder Nacht, unermeßlich sich ergießend der Ocean, so daß er einen ewigen Streit der Natur zudeckt; und zweifeln möchte man, ob das Gebiet des Landes sei, oder des Meeres. <ref>Z.d.Z. gab es noch keine Deiche, sodass weite Gebiete bei Flut überspült wurden</ref> Dort sitzt ein elendes Volk auf hohen Hügeln, oder mit Händen gebauten Erdhaufen <ref>[[Wurt]]</ref> (tribunalia); indem man, nach der Erfahrung der höchsten Fluth, Hütten darauf stellt: Schiffenden gleich, wenn die Gewässer die Umgegend bedecken: Schiffbrüchigen aber, wenn sie sich verlaufen haben; da man denn die mit dem Meere fliehenden Fische um die Wohnungen her fängt. Sie können nicht, wie die Nachbaren, Vieh halten, noch sich von Milch nähren; können nicht einmal mit wilden Thieren kämpfen, weil alles Gebüsch weit entfernt ist. Aus Schilf und Sumpf-Binsen flechten sie Stricke, um den Fischen Netze zu stellen, und indem sie mit Händen ergriffenen Koth durch die Winde mehr, als durch die Sonne trocknen, erhitzen sie mit Erde ihre Speisen und ihre vom Nordwinde starrenden Eingeweide.<ref>Hier ist nicht recht klar, wovon Plinius spricht. Er kann gegrabenen Torf gemeint haben. Da er jedoch von Koth redet, könnten auch sogenannte `Ditten´, getrocknete Kuhfladen, gemeint sein, wie sie bis in die Mitte des 20, Jh. auf den [[Hallig]]en verwandt wurden. Bliebe jedoch die Frage, wo die her stammen.</ref> Getränk haben sie nur vom Regen, welchen sie durch Gruben aufbewahren im Vorplatze des Hauses. <ref>dito. auf den Halligen in sog. Fetingen (s. [[Hallig]]) </ref> Und diese Leute meinen, wenn sie jetzt von den Römern besiegt würden, in Knechtschaft zu gerathen! Fürwahr, so ist’s: Viele verschont das Geschick zur Strafe." <ref>Unwissend betont er hier den Freiheitswillen der Friesen bis in die Neuzeit getreu dem friesischenWahlspruch: "Lever dood as Slaav" (Lieber tot als Sklave)</ref>
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"Ein anderes Wunder kommt von den Wäldern. Diese erfüllen das ganze übrige Germanien, und fügen zur Kälte (des Klima’s) den Schatten. Die höchsten aber sind nicht fern von den genannten Chauken; vornämlich um zwei Seen her. Bis an die Ufer stehen Eichen vom üppigsten Wachsthume, und durch die Wellen untergraben, oder vom Winde getrieben, führen sie große Inseln durch die Verflechtung ihrer Wurzeln mit sich fort, und also feststehend, schiffen sie vermöge des Geräths ihrer mächtigen Äste: so daß oft unsere Flotten geschreckt wurden, wenn jene Inseln, wie mit Fleiß, durch die Wellen auf die Schiffs-Vordertheile der bei Nacht vor Anker Liegenden getrieben wurden, und Letztere, rathlos, was zu thun sei, ein Seetreffen gegen Bäume begannen." <ref>Vermutlich spricht er hier die bei Flut aufschwimmenden Moore an, wie sie heute noch bei Waakhausen im Kreis Osterholz oder bei Seefeld am Jadebusen zu finden sind. Sicherlich werden die Eichen dabei etwas überhöht dargestellt sein</ref>
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'''Tacitus'''
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Germania, Kap. 35
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"Im Norden Deutschlands der Volksstamm der Chauken, fängt an von den Friesen, und hat einen Theil des Meeresufers inne, dehnt sich aber auch zur Seite aller vorher genannten Stämme aus, bis er sich zu den Katten hin krümmt. So ungeheuren Länderraum besitzen nicht nur, sondern erfüllen auch die Chauken. Das edelste Volk unter den Germanen, und welches seine Größe am liebsten durch Gerechtigkeit schützt: ohne Begier, ohne Unbändigkeit, ruhig und zurückgezogen, rufen sie keine Kriege hervor, verwüsten nicht durch Plünderungs- oder Raubzüge. Und das ist ihrer Tapferkeit und ihrer Kräfte bester Beweis, daß sie, den Vorrang zu haben, nicht durch Ungerechtigkeit erlangen. Bereit jedoch sind Allen die Waffen, und wenn es Noth thut, das Heer, Männer und Rosse in Menge; und ruhend haben sie denselbigen Ruf." <br>
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Tacitus erwähnt hier die Chauken und die Friesen. Letzere siedelt er an der Küste an, wärend sich die Chauken dahinter bis zu den Chatten, hier als Katten benannt, sprich Hessen, ausdehnen zwischen Rhein und Elbe. Wärend sich die Friesen beständig gegen die römisch Vorherrschaft gewehrt haben, dienten viele Chauken als Söldner unter dem römischen Feldherrn Cerialis, so wie 100 Jahre zuvor der Cheruskerfürst Arminius, bekannt als Hermann der Cherusker.
  
  

Version vom 18. Dezember 2010, 15:42 Uhr

Heinrich Heine

Aus den Memoiren des Herren von Schnabelewopski, 1831

Den zweiten Tag gelangten wir nach Cuxhaven, welches eine hamburgische Kolonie ist. Die Einwohner sind Untertanen der Republik und haben es sehr gut. Wenn sie im Winter frieren, werden ihnen aus Hamburg wollene Decken geschickt, und in allzu heißen Sommertagen schickt man ihnen Limonade.
Als Prokonsul residiert ein hoch- und wohlweiser Senator. Er hat jährlich ein Einkommen von 20.000 Mark und regiert über 5000 Seelen. Es ist dort ein Seebad, welches unter anderen Seebädern den Vorteil bietet, dass es zu gleicher Zeit Elbbad ist.


Georg Christoph Lichtenberg

Warum hat Deutschland noch kein großes öffentliches Seebad?, 1793

Diese Frage ist, dünkt mich, vor mehreren Jahren schon einmal im Hannöverschen Magazin aufgeworfen worden. Ob sie jemand beantwortet hat, weiß ich nicht zuverlässig, ich glaube es aber kaum. Noch weniger glaube ich, daß eine öffentliche Wiederholung derselben jetzt nicht mehr Statt findet. Denn wo gibt es in Deutschland ein Seebad? Hier und da vielleicht eine kleine Gelegenheit sich an einem einsamen Ort, ohne Gefahr und mit Bequemlichkeit in der See zu baden, die sich allenfalls jeder, ohne jemanden zu fragen, selbst verschaffen kann, mag wohl alles sein. Allein wo sind die Orte, die, wie etwa Brighthelmstone, Margate und andere in England, in den Sommermonaten an Frequenz selbst unsere berühmtesten einländischen Bäder und Brunnenplätze übertreffen? Ich weiß von keinem. Ist dieses nicht sonderbar? Fast in jedem Dezennium entsteht ein neuer Bad- und Brunnenort, und hebt sich, wenigstens eine Zeit lang. Neue Bäder heilen gut. Warum findet sich bei dieser Bereitwilligkeit unsrer Landsleute, sich nicht bloß neue Bäder empfehlen, sondern sich auch wirklich dadurch heilen zu lassen, kein spekulierender Kopf, der auf die Einrichtung eines Seebades denkt? Vielleicht kömmt durch diese neue Erinnerung die Sache einmal ernstlich zur Sprache, wo nicht in einem medizinischen Journal, doch in einem des Luxus und der Moden, oder, weil die Sache auf beide Bezug hat, in beiden zugleich. Bis dahin mögen einige flüchtige Bemerkungen eines Laien in der Heilkunde, der seinem Aufenthalte zu Margate die gesündesten Tage seines Lebens verdankt, hier stehen. An empfehlenden Zeugnissen einiger der ersten Eingeweiheten in der Wissenschaft fehlt es ihm indessen nicht; er hält sie aber bei einer so ausgemachten Sache, wenigstens hier für entbehrlich. Denn weder der Medecin Penseur noch der Medecin Seigneur werden jetzt den Nutzen des Seebades leugnen. Von dem erstern wenigstens ist nichts zu befürchten, und der andere würde schweigen, sobald man ihm sagte, daß in England nicht allein eine sehr hohe Noblesse, sondern die Königliche Familie selbst, vermutlich durch Penseurs und den glücklichsten unverkennbaren Erfolg geleitet, sich dieser Bäder jetzt vorzüglich bedient. Was aber außer der Heilkraft jenen Bädern einen so großen Vorzug vor den inländischen gibt, ist der unbeschreibliche Reiz den ein Aufenthalt am Gestade des Weltmeers in den Sommermonaten, zumal für den Mittelländer hat. Der Anblick der Meereswogen, ihr Leuchten und das Rollen ihres Donners, der sich auch in den Sommermonaten zuweilen hören läßt, gegen welchen der hochgepriesene Rheinfall wohl bloßer Waschbecken - Tumult ist; die großen Phänomene der Ebbe und Flut, deren Beobachtung immer beschäftiget ohne zu ermüden; die Betrachtung, daß die Welle, die jetzt hier meinen Fuß benetzt, ununterbrochen mit der zusammenhängt, die Otaheite und China bespült, und die große Heerstraße um die Welt ausmachen hilft; und der Gedanke, dieses sind die Gewässer, denen unsre bewohnte Erdkruste ihre Form zu danken hat, nunmehr von der Vorsehung in diese Grenzen zurück gerufen, - alles dieses, sage ich, wirkt auf den gefühlvollen Menschen mit einer Macht, mit der sich nichts in der Natur vergleichen läßt, als etwa der Anblick des gestirnten Himmels in einer heitern Winternacht. Man muß kommen und sehen und hören. Ein Spaziergang am Ufer des Meeres, an einem heitern Sommermorgen, wo die reinste Luft, die uns selbst das Eudiometer noch auf der Oberfläche unsers Wohnorts kennen gelehrt hat, Eßlust und Stärkung zuträgt, macht daher einen sehr großen Kontrast mit einem in den dumpfigen Alleen, der einländischen Kurplätze. Doch das ist bei weitem noch nicht alles. Das übrige wird sich erst alsdann beibringen lassen, wenn wir erst über die Gegend eins geworden sind, wo nun in Deutschland ein solches Bad angelegt werden könnte. Die ganze Küste der Ostsee ist mir unbekannt, und ich für mein Teil würde sie dazu nicht wählen, solange nur noch ein Fleckchen an der Nordsee übrig wäre, das dazu taugte, weil dort das unbeschreiblich große Schauspiel der Ebbe und Flut, wo nicht fehlt, doch nicht in der Majestät beobachtet werden kann, in welcher es sich an der Nordsee zeigt. Es gibt da zu tausend Unterhaltungen Anlaß, und ich würde kaum glauben, daß ich mich an der See befände, wo der Größe dieser Naturszene etwas abginge. Wenn ich, jedoch ohne das übrige nötige Lokale genau zu kennen, wählen dürfte, so würde ich dazu Ritzbüttel, oder eigentlich Cuxhaven oder das Neue Werk, oder sonst einen Fleck in jener Gegend vorschlagen. Freilich nicht jeder Seeort taugt zu einem öffentlichen Seebad, das auf große Aufnahme hoffen kann. Es kömmt sehr viel auf die Beschaffenheit des Bodens der See an. Zu Margate ist es der feinste und dabei festeste Sand, der auch den zartesten Fuß nicht verletzt, ihm vielmehr bei der Berührung behaglich ist, und gerade einen solchen Boden habe ich bei dem Neuen Werk gefunden. Der Beschaffenheit des Bodens zu Cuxhaven erinnere ich mich nicht mehr genau. Allein wo auch der Boden nicht günstig ist, läßt sich leicht eine Einrichtung treffen, die alle Unbequemlichkeiten hebt, und die ich zu Deal gesehen habe. Dieses zu verstehen, muß ich unsere Leser vor allen Dingen mit der Art bekannt machen, wie man sich an diesen Orten in der See badet. Man besteigt ein zweirädriges Fuhrwerk, einen Karren, der ein von Brettern zusammen geschlagnes Häuschen trägt, das zu beiden Seiten mit Bänken versehen ist. Dieses Häuschen, das einem sehr geräumigen Schäferkarren nicht unähnlich sieht, hat zwei Türen, eine gegen das Pferd und den davor sitzenden Fuhrmann zu, die andere nach hinten. Ein solches Häuschen faßt vier bis sechs Personen, die sich kennen, recht bequem, und selbst mit Spielraum, wo er nötig ist. An die hintere Seite ist eine Art von Zelt befestigt, das wie ein Reifrock aufgezogen und herabgelassen werden kann. Wenn dieses Fuhrwerk, das an den Badorten eine Maschine (a machine) heißt, auf dem Trocknen in Ruhe steht, so ist der Reifrock etwas aufgezogen, vermittelst eines Seils, das unter dem Dach des Kastens weg nach dem Fuhrmanne hingeht. An der hintern Türe findet sich eine schwebende aber sehr feste Treppe, die den Boden nicht ganz berührt. Über dieser Treppe ist ein freihängendes Seil befestigt, das bis an die Erde reicht und den Personen zur Unterstützung dient, die, ohne schwimmen zu können, untertauchen wollen, oder sich sonst fürchten. In dieses Häuschen steigt man nun und während der Fuhrmann nach der See fährt, kleidet man sich aus. An Ort und Stelle, die der Fuhrmann sehr richtig zu treffen weiß, indem er das Maß für die gehörige Tiefe am Pferde nimmt, und es bei Ebbe und Flut, wenn man lange verweilt, durch Fortfahren oder Hufen immer hält, läßt er das Zelt nieder. Wenn also der ausgekleidete Badgast alsdann die hintere Tür öffnet, so findet er ein sehr schönes dichtes leinenes Zelt, dessen Boden die See ist, in welche die Treppe führt. Man faßt mit beiden Händen das Seil und steigt hinab. Wer untertauchen will, hält den Strick fest und fällt auf ein Knie, wie die Soldaten beim Feuern im ersten Gliede, steigt alsdann wieder herauf, kleidet sich bei der Rückreise wieder an usw. Es gehört für den Arzt zu bestimmen, wie lange man diesem Vergnügen (denn dieses ist es in sehr hohem Grade,) nachhängen darf. Nach meinem Gefühl, war es vollkommen hinreichend, drei bis viermal kurz hinter einander im ersten Gliede zu feuern, und dann auf die Rückreise zu denken. Beim ersten Male wollte ich, um seinen eignen Körper erst kennen zu lernen, raten nur einmal unterzutauchen, und dann sich anzukleiden, und nie die Zeit zu überschreiten, da die angenehme Glut, die man beim Aussteigen empfinden muß, in Schauder übergeht. Da das schöne Geschlecht von Anfang, wie ich gehört habe, auch hier, gegen das Unversuchte einige Schüchternheit äußern soll, so finden sich an diesen Orten vortreffliche Kupplerinnen zwischen der Thetis und ihnen, die sie sehr bald dahin bringen selbst wieder Kupplerinnen zu werden. Dieses sind in Margate junge Bürgerweiber die sich damit abgeben, die Damen aus- und ankleiden zu helfen, auch eine Art von losem Anzug zu vermieten, der, ob er gleich schwimmt, doch beim Baden das Sicherheitsgefühl der Bekleidung unterhält, das der Unschuld selbst im Weltmeere so wie in der dicksten Finsternis immer heilig ist. Unter diesen Weibern gibt es natürlich, so wie bei den fern verwandten Hebammen, immer einige, die durch Sittsamkeit, Reinlichkeit, Anstand und Gefälligkeit vor den übrigen Eindruck machen und Beifall erhalten. Ich habe eine darunter gekannt, die damals Mode war. Diese besorgte öfters zwei bis drei Fahrzeuge zugleich. Und da war es lustig vom Fenster anzusehen, wie diese Sirene, wenn sie mit Einer Gesellschaft fertig war, von einem Karren nach dem andern oft 20 bis 30 Schritte weit wanderte. Es war bloß der mit Kopfzeug und Bändern gezierte Kopf, was man sah, der wie ein Karussellkopf aus Pappdeckel auf der Oberfläche des Meeres zu schwimmen schien. - Ist nun der Boden der See wie der zu Deal, der aus Geschieben von Feuersteinen etc. besteht, nicht günstig, so endigt sich die Freitreppe in einen geräumigen viereckigten Korb, in dem man also steht, ohne je den Boden zu berühren. Doch ich glaube nicht, daß diese Einrichtung, die mir im ganzen nicht recht gefällt, in Cuxhaven nötig sein wird. Geschiebe von Feuersteinen sind da gewiß nicht, ob nicht Schlamm oder glitschiges Seekraut so etwas nötig machen könnte, getraue ich mir nicht schlechtweg zu entscheiden, glaube es aber kaum. Überdas aber kömmt noch bei jenen Gegenden der sehr wenig inklinierte Boden in Betracht. Das Meer tritt da, auf den sogenannten Watten bei der Ebbe sehr weit zurück, ein zwar großes und herrliches Schauspiel, das aber für die Hauptabsicht Unbequemlichkeiten haben könnte. Denn die eigentliche Badezeit ist von Sonnenaufgang an bis etwa um 9 Uhr, da es anfängt heiß zu werden. Die größte Frequenz war zu Margate immer zwischen 6 Uhr und halb 9 im Julius und August. Nun könnte es kommen, oder muß vielmehr kommen, daß zuweilen gerade um diese Zeit zu Cuxhaven das Meer sehr weit von dem Wohnorte zurück getreten wäre, dieses würde oft eine kleine Reise im Schäferkarren nach dem Wasser, und selbst bei der Ankunft bei dem Wasser noch eine kleine Seereise auf der Axe nötig machen, um die gehörige Tiefe zu gewinnen. So etwas ist zwar, wie ich aus Erfahrung weiß, den gesunden Patienten nichts weniger als unangenehm, zumal wenn ihrer mehrere die mit derselben Krankheit behaftet sind, zugleich fahren, allein den Patienten im eigentlichen Verstand könnte doch so etwas lästig sein. - Aber auch hier ließe sich vielleicht Rat schaffen. Wie? das gehört nicht hieher. Ich hoffe mein Freund, Herr Woltmann zu Cuxhaven, der bekanntlich mit sehr tiefen Kenntnissen die größte Tätigkeit verbindet, soll nun hier den Faden anfassen wo ich ihn fahren lasse, wenn er es der Mühe wert hält. Sein Gutachten wird hier, in einer wichtigen Angelegenheit entscheidend sein. - Nun aber vorausgesetzt, daß dort alle Bequemlichkeit zum Baden erhalten werden könnte, woran ich nicht zweifle, so hat jene Gegend Vorzüge, deren sich vielleicht wenige Seeplätze in Europa rühmen können. Die glückliche Lage zwischen zwei großen Strömen, der Elbe und der Weser, auf denen alle nur ersinnliche Bedürfnisse für Gesunde und Kranke, auch mineralische Wasser leicht zugeführt werden können. Die Phänomene der Ebbe und Flut, die dort auffallender erscheinen als an wenigen Orten, vielleicht keinem in Europa. Zwischen Ritzbüttel und dem Neuen Werk könnte noch heute einem verfolgenden Heere begegnen, was Pharao mit dem seinigen begegnete. Man macht da die Hinreise auf der Axe, und einige Stunden darauf über demselben Gleise die Rückreise in einem bemasteten Schiff. Mit Entzücken erinnre ich mich der Spaziergänge auf dem soeben von dem Meere verlassenen Boden, ja ich möchte sagen, selbst auf dem noch nicht ganz verlassenen, wo noch der Schuh, ohne Gefahr von Erkältung überströmt ward; der Tausenden von Seegeschöpfen die in den kleinen Vertiefungen zurückbleiben, deren einige man selbst für die Tafel sammeln kann, und die den Gleichgültigsten zum Naturaliensammler machen können, wenn er es nicht schon ist; des Heeres von See- und andern Vögeln, (auch darunter Naturalien für die Tafel,) die sich dann einfinden und die angenehmste Jagd zu Fuß an der Stelle gewähren, über die man noch vor einigen Stunden wegsegelte und nach wenigen wieder wegsegeln kann. Hierzu kömmt nun das ununterbrochene Aus- und Einsegeln oft majestätischer Schiffe mehrerer Nationen, die Cuxhaven gegenüber vor Anker gehen, und die man besteigen oder wenigstens in kleinen Fahrzeugen besuchen und umfahren kann, immer unter dem Anwehen der reinsten Luft und der Eßlust. Freilich werden diese kleinen gar nicht gefährlichen Reisen, öfters kleine Vomitiv - Reischen, und dafür nur desto gesünder. Ich habe von einem der römischen Kaiser gelesen, wo ich nicht irre, so war es August selbst, der in der reinen Seeluft jährlich solche Vomitivreisen unternahm. - Der gesunden Patienten wegen merke ich noch an, daß man hier alle Arten von Seefischen und Schalentieren immer aus der ersten Hand hat, und gerade um diese Zeit den Hering, noch ehe er das Mittelland erreicht. Die wohlschmeckendste Auster, frischriechend bei der heißen Sonne und den königlichen Steinbütt! Eine mächtige Unterstützung für das Geschäfte im Schäferkarren. - Und nun Helgoland! Kleine geschlossene Gesellschaften unternehmen, statt Ball und Pharao, eine Reise nach dieser außerordentlichen Insel. Die Vomitivchen unterwegs verschwinden in dem Genuß dieses großen Anblicks. Wer so etwas noch nicht gesehen hat, datiert ein neues Leben von einem solchen Anblick, und liest alle Beschreibungen von Seereisen mit einem neuen Sinn. Ich glaube jeder Mann von Gefühl, der das Vermögen hat sich diesen großen Genuß zu verschaffen und es nicht tut, ist sich Verantwortung schuldig. Nie habe ich mit so vieler fast schmerzhafter Teilnehmung an meine hinterlassenen Freunde in den dumpfigen Städten zurück gedacht, als auf Helgoland. Ich weiß nichts hinzu zu setzen, als: man komme und sehe und höre. - Sollte eine solche Anstalt in jenem glücklichen Winkel nicht möglich sein? Ich glaube es. Von Hamburg läßt sich alles erwarten. Diese vortreffliche Stadt mit ihren Gesellschaften, könnte, verbunden mit Bremen, Stade, Glückstadt etc. schon allein einem solchen Bade Aufnahme verschaffen, der Fremde bedürfte weiter nichts. Sollte unter den vielen spekulierenden Köpfen dort nicht einer sein, der ein solches Unternehmen beförderte, auf dessen Ausführung keine geringe Anzahl von Teilnehmern wartet, wenn ich aus meiner Bekanntschaft auf die übrigen schließen darf? Große Anstalten wären zum ersten Versuch nicht nötig, nur Bequemlichkeit für die Gäste. Fürs erste, keine Komödienhäuser, keine Tanzsäle, (das würde sich am Ende alles von selbst finden) und keine Pharaobänke. Pharao mit seinem Heer gehört zwischen Ritzbüttel und das Neue Werk zur Zeit der Flut. Nun noch eine kurze Antwort zu Hebung von einem Paar Bedenklichkeiten, die ich habe äußern hören:

1) Der Ort sei zu weit abgelegen, und
2) verdiene bei einem Seebad, das Schicksal des Propheten Jonas immer eine kleine Beherzigung, und der häßliche Rachen eines Haifisches sei im Grunde am Ende nicht viel besser als eine Pharaobank.

Was die erste Bedenklichkeit betrifft, so ist sie freilich so ganz ungegründet nicht. Allein nicht zu gedenken, daß alle Seebäder den natürlichen Fehler haben, daß sie an der Grenze der Länder liegen, wo sie sich befinden, so könnte man fragen: was ist ein abgelegner Ort im allgemeinen Verstand, so wie das Wort hier genommen wird, ohne etwa Wien oder Prag oder sonst einen Ort zu nennen, der weit von Ritzbüttel abliegt? Mit ein wenig Überlegung wird es sich bald finden, daß Ritzbüttel diese Benennung nicht verdient, weil nicht allein ein reiches, sondern auch ein bevölkertes Land in der Nachbarschaft liegt. Hat es freilich auf einer Seite, wie alle Seebäder, kein festes Land, so hat es dafür eine Fläche die einem großen Teil des festen Landes die Passage dahin sehr erleichtert, zumal hier vermittelst der Elbe und der Weser. Dies ist so wahr, daß ich hiervon einen Beweis nicht zurückhalten will, ob ich gleich merke, daß er für eine Empfehlung fast etwas zu viel beweiset. Das schön gelegene Margate wird von Vornehmen nicht so häufig besucht als andere Seebäder, die die schöne Nachbarschaft nicht haben, eben weil die Themse die Passage dahin, zumal von London aus, zu sehr erleichtert. Daher geschieht es denn, daß sich eine Menge von allerlei Gesindel einfindet, das sich seiner oft guten Kleider wegen nicht ganz von den Gesellschaften zurückhalten läßt, und welches dennoch unerträglich zu finden ein gesitteter Mann eben keine Ahnen nötig hat. Zum Glück sind Hamburg und Bremen, ihres übrigen Reichtums ungeachtet, noch immer arm an dieser Menschenklasse. - Vor dem Schicksal des Jonas wird nicht leicht jemanden im Ernste bange sein, der das Lokale dieser Örter kennt. Die Fische, die einen Propheten fressen könnten, sind da so selten als die Propheten. Eher könnte man die dortigen Fische vor den Badegästen warnen. Seit jeher sind zwar die Fische dort, zumal von Fremden, mit großer Prädilektion gespeiset worden, es ist mir aber nicht bekannt, daß je einer von ihnen das Kompliment erwidert hätte.


Franz Liszt

1841

Von Kopenhagen kehrte Liszt über Hamburg nach Deutschland zurück. Über die Rückfahrt berichtete er in einem Brief an L. Kreutzer:

Ein Sturm wirft mich nach Cuxhaven. Vielleicht bemerkten Sie auf geographischen Detai-Karten einen schwarzen Punkt, der diesen Namen trägt; begreifen Sie aber auch dabei, was es heißt während zwölf ganzer Stunden hier festgehalten zu sein? So etwas ist, um wild oder toll zu werden! Dort habe ich gelernt das Opfer der Iphigenia zu verstehen.

Am Tage geht es noch. Man erledigt vernachlässigte Korrespondenzen, erinnert sich an Menschen, an die man während dreier Jahre nicht geschrieben, man macht seinen Freunden glauben, man bessere sich und sei im Begriff, ein regelrechter Briefschreiber zu werden. Aber des Abends! Abends in Cuxhaven!

Glücklicherweise giebt es eine Vorsehung, welche die Unglücklichen nie ganz verläßt. Wir hörten zufällig, daß eine Komödiantentruppe von dem unseligsten der Sterne dahin verschlagen und nicht aus Mangel an gutem Willen, aber aus Mangel an Zuschauern sich mit Nichtsthun beschäftige. Sofort veranstalteten wir eine Subskription. Alle Passagiere des `Beurs´ zeichneten, mehrere Einwohner, verführt vom schlechten Beispiel, gestatteten sich diese thörichte Depense. Man fegt die Dielen, das Orchester nimmt Platz, den Musikanten spendet man Wein, die Bässe brummen im besten Humor, die Altos söhnen sich mit dem Leben aus, die große Trommel erhebt sich zu ungewohnter Energie. Die Lichter werden angesteckt, wir zünden unsere Cigarren an. Einige junge Frauen, von der Neugierde gelockt und von der Konvenienz - dieser Mutter aller Langeweile - zurückgehalten, kommen, gehen, kommen wieder, um endlich, nachdem sie sich in einer Anzahl, die ihnen gegenseitig eine genügende Sicherheit zu verbürgen schien, zusammen gefunden hatten, zu bleiben.

Das Stück beginnt; es ist: `Der Vater der Debütantin.´ Vernet fehlt, aber die Schauspieler sind zufrieden und lachen: weil sie lachen, lacht das Publikum. Jeder sieht seinen Nachbarn an, als wollte er sagen: "Ist es nicht närrisch, daß wir hier sind?"
Der Vaudeville ist zu Ende - niemand geht. Wohin könnte man auch in Cuxhaven um halb neun Uhr Abends hingehen? Aber das Orchester kennt Walzer von Strauß. Ausgezeichnete Idee! -: man tanze!
"Tanzen! Wie? in einem öffentlichen Theater? mit Fremden, Unbekannten?"
"Warum nicht, meine Damen? Ich bin Ungar, heiße Franz Liszt, spiele passabel Klavier, bin nicht weniger gut erzogen als ein Anderer, und verbürge mich für meine Gefährten und für mich selbst, was soviel sagt, wie - fast nichts."
Auf diese Rede war nichts zu erwidern. Sogleich machte das Orchester Leben; der Rhythmus wirkte mehr und mehr, er reißt die Widerstrebenden mit sich fort und erschüttert die festesten Grundsätze. Und bald - oh großer Strauß! - senken alle hübschen Cuxhavenerinnen ihre blonden Köpfe gegen die Schulter der Schiffbrüchigen und überlassen deren nervigten Armen ihre schlanken Taillen. Noch eine Stunde, nur eine Stunde! und alle unsere `Don Juan´ hatten ihre »Haidee« gefunden! Warum legte der Sturm sich so schnell? Warum wehte kein Nordwind mehr?


Plinius und Tacitus über das nordeutsche Küstenland

Beide römischen Reisenden und Geschichtsschreiber aus der Zeit um 100 n. Chr. äußern sich in ihren Aufzeichnugen zum norddeutschen Küstenland. Plinius der Ältere beschreibt aus eigener Ansicht die Landschaft und Lebensweise seiner Bewohner. Er hatte an eine Küstenfahrt mit der Römischen Flotte teilgenommen, die ihn bis in die Elbmündung gebracht hatte. Bei ihm sind die Bewohner durchweg als Chauken bezeichnet. Tacitus beschreibt eher die Einwohner selber, jedoch von Hörensagen und eher idealisiert.

Plinius der Ältere

Naturgeschichte, Buch 16. Kap. 1

"Im Norden haben wir den Volksstamm der Chauken gesehen, welche die großen und die kleinen [1] heißen. Da treibt auf ungeheurer Strecke, zwei Mal in den Abschnitten jedes Tages und jeder Nacht, unermeßlich sich ergießend der Ocean, so daß er einen ewigen Streit der Natur zudeckt; und zweifeln möchte man, ob das Gebiet des Landes sei, oder des Meeres. [2] Dort sitzt ein elendes Volk auf hohen Hügeln, oder mit Händen gebauten Erdhaufen [3] (tribunalia); indem man, nach der Erfahrung der höchsten Fluth, Hütten darauf stellt: Schiffenden gleich, wenn die Gewässer die Umgegend bedecken: Schiffbrüchigen aber, wenn sie sich verlaufen haben; da man denn die mit dem Meere fliehenden Fische um die Wohnungen her fängt. Sie können nicht, wie die Nachbaren, Vieh halten, noch sich von Milch nähren; können nicht einmal mit wilden Thieren kämpfen, weil alles Gebüsch weit entfernt ist. Aus Schilf und Sumpf-Binsen flechten sie Stricke, um den Fischen Netze zu stellen, und indem sie mit Händen ergriffenen Koth durch die Winde mehr, als durch die Sonne trocknen, erhitzen sie mit Erde ihre Speisen und ihre vom Nordwinde starrenden Eingeweide.[4] Getränk haben sie nur vom Regen, welchen sie durch Gruben aufbewahren im Vorplatze des Hauses. [5] Und diese Leute meinen, wenn sie jetzt von den Römern besiegt würden, in Knechtschaft zu gerathen! Fürwahr, so ist’s: Viele verschont das Geschick zur Strafe." [6]

"Ein anderes Wunder kommt von den Wäldern. Diese erfüllen das ganze übrige Germanien, und fügen zur Kälte (des Klima’s) den Schatten. Die höchsten aber sind nicht fern von den genannten Chauken; vornämlich um zwei Seen her. Bis an die Ufer stehen Eichen vom üppigsten Wachsthume, und durch die Wellen untergraben, oder vom Winde getrieben, führen sie große Inseln durch die Verflechtung ihrer Wurzeln mit sich fort, und also feststehend, schiffen sie vermöge des Geräths ihrer mächtigen Äste: so daß oft unsere Flotten geschreckt wurden, wenn jene Inseln, wie mit Fleiß, durch die Wellen auf die Schiffs-Vordertheile der bei Nacht vor Anker Liegenden getrieben wurden, und Letztere, rathlos, was zu thun sei, ein Seetreffen gegen Bäume begannen." [7]

Tacitus

Germania, Kap. 35

"Im Norden Deutschlands der Volksstamm der Chauken, fängt an von den Friesen, und hat einen Theil des Meeresufers inne, dehnt sich aber auch zur Seite aller vorher genannten Stämme aus, bis er sich zu den Katten hin krümmt. So ungeheuren Länderraum besitzen nicht nur, sondern erfüllen auch die Chauken. Das edelste Volk unter den Germanen, und welches seine Größe am liebsten durch Gerechtigkeit schützt: ohne Begier, ohne Unbändigkeit, ruhig und zurückgezogen, rufen sie keine Kriege hervor, verwüsten nicht durch Plünderungs- oder Raubzüge. Und das ist ihrer Tapferkeit und ihrer Kräfte bester Beweis, daß sie, den Vorrang zu haben, nicht durch Ungerechtigkeit erlangen. Bereit jedoch sind Allen die Waffen, und wenn es Noth thut, das Heer, Männer und Rosse in Menge; und ruhend haben sie denselbigen Ruf."

Tacitus erwähnt hier die Chauken und die Friesen. Letzere siedelt er an der Küste an, wärend sich die Chauken dahinter bis zu den Chatten, hier als Katten benannt, sprich Hessen, ausdehnen zwischen Rhein und Elbe. Wärend sich die Friesen beständig gegen die römisch Vorherrschaft gewehrt haben, dienten viele Chauken als Söldner unter dem römischen Feldherrn Cerialis, so wie 100 Jahre zuvor der Cheruskerfürst Arminius, bekannt als Hermann der Cherusker.


Friedrich Oscar Ruge

Otter und Drachen - Lustige Treibminen auch für Landratten, 1942

Das die Römer sich nicht auf Rom beschränkt haben, sondern auch Germanien die Leitkultur brachten, ist bekannt. Dass sie an der Nordseeküste und in der Elbmündung waren ist belegt durch Plinius und Tacitus. Dass dies keine Vermutung ist, wurde per Zufall durch einen Fund in der Elbe vor Cuxhaven belegt.

Vermerkt ist der Vorgang in Friedrich Ruges Buch `Otter und Drachen´. Ruge war zeitweise Kommandant der Cuxhavener Minensucher wärend des 3. Reiches, später Adjutant Rommels als Admiral, später 1. Inspekteur der Bundesmarine. Nach dem WK. II Mitglied es Stadtrates der Stadt Cuxhaven.
Der Einsteller

Auf den Pfaden der Römer

Vor vielen Jahren lief eine Minensuch-Flottille in Cuxhaven ein, das damals noch nicht fester Minensucherhafen war. Der Kommandeur der 4. K.W.A. (Küstenwehrabteilung, so hieß damals die M.A.A. (Matrosen-Artillerie-Abteilung)), namens Schmidt, selbst alter Minensucher, nahm sich der Flottille sehr nett an. Sein Steckenpferd war Geschichte, und er freute sich, die Tradition seiner Abteilung, wenn auch mit Lücken, bis auf die römische Wachabteilung zurückführen zu können, die nach Tacitus noch fünf Jahre nach der Varusschlacht an der Mündung der Elbe postiert gewesen war.

Nach bewegtem Wochenende stach die Flottille wieder in See, oder vielmehr in die Elbe zu Minenwurfübungen. Nach wenigen Tagen erhielt das Flottillenkommando von der taktischen Nummer 4. eine Kupfertafel mit lateinischer Inschrift und folgendem Schreiben:

"An das
Kommando der 1. Minensuchflottille
Betr.: Wachübergabe der Römer an die Germanen im Jahre 14 n. Chr.
Vorg.: Äußerungen Kommandeur 4. K.W.A.
Anliegende Tafel wurde beim Minenlichten mit dem 299. Anker aus der Elbe geholt. Sie scheint nach Cuxhaven zu gehören. Um weitere Veranlassung wird gebeten.
gez. Unterschrift"

Die mit Heringslake echt antik bronzierte Anlage, die an den Kommandeur der 4. K.W.A. weitergesandt wurde, zeigte folgenden Text, den wir dem ob solchem Latein erschreckten Leser nachher dolmetschen wollen:

Cras Cuxportum relinquemus,
Roman urbem revertemus.
Domine, defende nos
Contra Frisios barbaros,
Contra maris tempestates,
ne nos rapiat dirus Hades.
Germanorum milites,
Nautae atque pedites,
Hic succedent; tabulam
eis dedicamus, quam
Per futura saecula
Ad extrema tempora
In Honore habeant
Atque bene poliant.
Id. Sept. a. DCCLXCII
a. u. c.
Markus Tullius Faber
Centurio cohortis IV (ballist)
legionis XXII (maritimae)

Frei übersetzt:

Cuxhaven eben wir verließen,
wenden nun gen Rom den Kiel,
gegen diese wilden Friesen
ward die Wache uns zuviel.
O schütz uns, Herr, vor dieser Bande
noch einmal, daß die Rückfahrt klappt,
und vom stürmereichen Strande
uns nicht noch die Hölle schnappt.
Drum euch germanischen Soldaten
melden wir mit Ach ud Krach,
Matrosen und Landratten
unsre abgelöste Wach.
Und des zu Tradition und Zeichen
wir diese Tafel überreichen,
die, wenn man sie genug studiert,
in Ehren hält und blank poliert.
Im September des 767 Jahres
der Gründung Roms
Markus Tullius Schmidt
Befehlshaber des 4. Batailions
der 12. Legion (Küstenüberwachung)

Die Seemarken an den Küsten der Königlich Dänischen Monarchie.

Ein Handbuch für Seefahrende

von J. M. Knuedsen, Kopenhagen 1861 [8]

Die Elbe.

Die Elbe wird im Allgemeinen von Helgoland aus gesucht, einerlei, ob man westen- oder osten um diese Insel passirt, da dieselbe, welche hoch, und wohin das Fahrwasser rein ist, eine gute Richtschnur für das Suchen der Elbe gewährt.

Auf Helgoland befindet sich ein festes Leuchtfeuer, das nach allen Richtungen hin leuchtet. Es steht 251 Fuß über dem Meere und wird in sichtbarer Witterung 4-5 Meilen weit gesehen.

Bei dem Suchen der Elbe hat man zu beachten, daß die Fluth in östlicher und die Ebbe in westlicher Richtung geht. Der Cours von Helgoland bis zur äußersten, vor der Elbe liegenden, Tonne (die roth gemalt und auf ungefähr 10´ Faden Wasser liegt) [9]> ist S. O. z. S., und muß man mit schralem Winde den Cours darnach richten, je nachdem man mit Ebbe oder Fluth segelt. In disigem und nebeligem Wetter, wenn man nicht riskiren kann, auf die Elbe hineinzusetzen, darf man sich den Gründen auf nicht weniger als 10-12 Faden Wasser nähern. Die Marke, um das äußerste Feuerschiff vor der Elbmündung zu suchen, ist: Der höchste Leuchtthurm auf Neuwerk und die Baake auf dem Schaarhörner Sand in einer Linie. In dieser Marke und mit dem Cours S. O. z. O. trifft man das Feuerschiff. Dasselbe hat Luggertakelage und am Tage weht vom Großmast eine rothe Flagge; des Nachts führt es ein Leuchtfeuer, das sich 39 Fuß über dem Wasserspiegel befindet und in einer Entfernung von 2 ½-3 Meilen gesehen werden kann. Bei nebeliger Witterung wird am Bord dieses Schiffes mit einer Glocke geläutet, und in dem Falle, daß ein Schiff gesehen worden und in trüber Witterung wieder außer Sicht gekommen ist, werden auf dem Feuerschiffe Kanonenschüsse gelöst. Dieses Schiff liegt das ganze Jahr hindurch auf seiner Station, wenn es durch Eisgang oder Unglücksfälle nicht genöthigt wird, dieselbe zu verlassen. In vorhin erwähnter Marke und Cours trifft man die äußerste Tonne, die ¼ Meile binnen vor dem Feuerschiffe liegen soll, und in der Nähe dieser Tonne hat die Lootsgaliote ihren Platz, wenn sie sich hier halten kann. Die Lootsgaliote hat 2 Masten, und von dem hintersten, an welchem eine hohe Stange ist, weht die Flagge. In stürmischer Witterung geht die Galiote weiter aufwärts in das Fahrwasser nach Neuwerk [10]. Von der äußersten rothen Tonne steuert man O. S. O. und S. O. z. O. ungefähr 1 Meile, bis der größte Leuchtthurm und die nördliche hohe Baake auf Neuwerk in eine Linie kommen. Auf Neuwerk befinden sich 2 Leuchtthürme; das südlichste Feuer brennt 117 Fuß, und das nördlichste 58 Fuß über dem Wasserspiegel; das erstgenannte Feuer sieht man in einer Entfernung von 3 ½ Meilen. Auf Neuwerk befinden sich auch 2 Baaken, wovon die höchste auf der N. W. Seite, und die kleinere auf der Ostseite steht. In der Nähe der letztgenannten Marke liegt ein zweites Feuerschiff, nämlich zwischen den weißen Tonnen Nr. 3 und 4, auf ungefähr 11 Faden Wasser. Diesen Platz verläßt es nur, wenn es durch Eisgang dazu genöthigt wird. Dieses Feuerschiff ist wie eine Galiote getakelt und hat am Tage eine blau und weiß, horizontal gestreifte Flagge vom Großtopp wehen. Des Nachts hat es 2 Lampenfeuer am Großmast aufgezogen, wovon das oberste 34 Fuß, und das unterste 17 Fuß über dem Wasserspiegel steht. Diese Feuer sind bei klarer Witterung in einer Entfernung von 2-2½ Meilen sichtbar.

Von der äußersten rothen Tonne sind längs dem Fahrwasser nach Cuxhafen [11] hinein an beiden Seiten Tonnen ausgelegt, wovon die an der Südseite, welche man bei der Einsegelung am Steuerbord behält, schwarz gemalt und mit Buchstaben versehen sind. Die an der Nordseite liegenden Tonnen sind dagegen weiß gemalt und über dem Wasser spitz, sowie mit Zahlen bezeichnet, die nach der Lage der Tonnen in den Lauf hinein steigen. Auf der Strecke von der See nach Cuxhafen hinein sollen die Tonnen das ganze Jahr hindurch ausliegen, dagegen werden die Tonnen, welche von hier längs der Elbe hinauf liegen, im Winter weggenommen und statt ihrer Eisbaaken ausgelegt.

Die Course, in welchen man von dem äußersten Feuerschiffe nach Curhafen hinauf segelt, sind folgende: Vom Feuerschiffe nach der ersten weißen Tonne S. O. z. O., ungefähr 1 Meile. Von dort nach der Flügeltonne (schwarz mit Flügel) S. O. z. S., ungefähr 1 Meile. Von hier nach der schwarzen Tonne L. S. O. z. O., ungefähr 1 ½ Meile, und von dieser nach Cuxhafen Süd, eine kleine Meile.

Bei Cuxhafen befindet sich ein festes Leuchtfeuer, das 78 Fuß über dem Wasserspiegel steht und in einer Entfernung von 3 Meilen gesehen wird. Außerdem ist auf der nordöstlichen Landspitze von Cuxhafen eine hohe Baake N. z. W. vom Leuchtthurm errichtet. - Hier ist ein Hafen mit einer Tiefe von 20-14 Fuß bei Hochwasser. Der Ankerplatz befindet sich auf dem Strom entlang, außerhalb des Hafens.

Da jegliches Fahrzeug, das die Elbe sucht, bei segelbarem Wetter sicher darauf rechnen kann, von der Lootsgaliote oder von Cuxhafen einen Lootsen zu erhalten, so werden selbige auch gewiß von den meisten, mit diesem Fahrwasser nicht bekannten Seeleuten, die hier hinein suchen, in Anspruch genommen.

Auf der Strecke von Cuxhafen längs der Elbe hinauf bis Blankenese vorbei liegen an beiden Seiten des Fahrwassers Tonnen; alle schwarzen an der Südseite und alle weißen an der Nordseite. Sie sind alle, sowohl die schwarzen wie die weißen, mit Zahlen versehen, die längs der Elbe hinauf nach und nach niedriger werden.

An der Südseite des Fahrwassers, ungefähr 8 ½ Meilen von Cuxhafen, liegt draußen vor Stade das Stader Zollschiff. - Die Entfernung von dem äußersten Feuerschiffe nach Altona hinauf beträgt ungefähr 16 ½ Meilen.


Fußnoten

  1. Evtl. die Geest- und die Marschenbewohner
  2. Z.d.Z. gab es noch keine Deiche, sodass weite Gebiete bei Flut überspült wurden
  3. Wurt
  4. Hier ist nicht recht klar, wovon Plinius spricht. Er kann gegrabenen Torf gemeint haben. Da er jedoch von Koth redet, könnten auch sogenannte `Ditten´, getrocknete Kuhfladen, gemeint sein, wie sie bis in die Mitte des 20, Jh. auf den Halligen verwandt wurden. Bliebe jedoch die Frage, wo die her stammen.
  5. dito. auf den Halligen in sog. Fetingen (s. Hallig)
  6. Unwissend betont er hier den Freiheitswillen der Friesen bis in die Neuzeit getreu dem friesischenWahlspruch: "Lever dood as Slaav" (Lieber tot als Sklave)
  7. Vermutlich spricht er hier die bei Flut aufschwimmenden Moore an, wie sie heute noch bei Waakhausen im Kreis Osterholz oder bei Seefeld am Jadebusen zu finden sind. Sicherlich werden die Eichen dabei etwas überhöht dargestellt sein
  8. Zu der Zeit war Schleswig-Holstein bis einschließlich dem heutigen Hamburg-Altona zum Dänischen Hoheitsgebiet gehörig.
  9. Die sog. Rote Tonne war die äußerste Tonne an der Grenze der Außenelbe zum freien Fahrwasser.
  10. Das sog. Nordergatt als Einfahrt in das Neuwerk-Fahrwasser
  11. Ab 1869 aufgrund eines Kaiserlichen Erlasses anlässlich der Benennung Wilhelmshavens mit `v´ geschrieben