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Hanseatic (Modell)

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Modell der Hansatic

Die "Schöne Hamburgerin" steht als Modell im Steubenhöft, dort, von wo aus sie früher nach Übersee startete.


Als »Empress of Japan« war das stolze Passagierschiff 1930 bei der Glasgower Werft Fairfield Shipbuilding gebaut worden. Im zweite Weltkrieg war dieser Name für ein britisches Schiff nicht tragbar - es: wurde in »Empress of Scotland umbenannt. Nachdem der Reeder Axel Bitsch-Christensen das Schiff gekauft hatte, wurde es 1958 bei der Howaldtswerke AG Hamburg umgebaut, und erhielt nach einigen Wochen als »Scotland« den Namen »Hanseatic«. Den Lebensweg des mit 30.029 BRT vermessenen Passagierschiffes, das neben 475 Mann Besatzung 1250 Passagieren Platz bot, zeigen die beiden Cuxhavener Rainer Heinsohn und Walter Vehrs in ihrem Buch »TS Hanseatic - Die Geschichte einer schönen Hamburgerin« auf.

Am Cuxhavener Steubenhöft war die »Hanseatic« in den Folgejahren ein ständiger und gern gesehener Gast. Hier sahen auch Erwin und Gertrud Thomas das Schiff - die beiden verbrachten häufig ihren Urlaub in Altenbruch. Als Modellschiffbauer hatte Erwin Thomas bereits alle möglichen Modelle gebaut. Hafen- und Hochseeschlepper gehörten ebenso dazu wie ein Heckraddampfer. Dieser nahm allerdings ein unrühmliches Ende: Das Modell versank während einer Fahrt auf dem Hamburger Goldbekkanal. Lediglich das Sonnendeck hatte von Sporttauchern aus dem Schlamm geborgen werden können.

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Schließlich reifte in Erwin Thomas der Entschluß, mal einen »richtigen Musikdampfer« zu bauen. Seine Wahl fiel auf die häufig in Cuxhaven gesehene »Hanseatic«. Er wandte sich an die »Hamburg-Atlantik-Linie«, erhielt von dort eine Zeichnung im Maßstab 1:200. Später bekam Erwin Thomas noch einen Bordpass. Damit konnte er sich an Bord umsehen, einzelne Stellen des Schiffes fotografieren. Umfangreiche Vorarbeiten wurden nötig, bevor das Modell auf Kiel gelegt werden konnte. Erwin Thomas vergrößerte den Bauplan auf den Maßstab von 1:50. Währenddessen bauten ihm zwei Freude im Garten einen Schuppen, die spätere »Montagehalle«. Da der Plan den Bau eines Holzmodells vorsah, Erwin Thomas sich aber für Stahlblech entschieden hatte, waren auch einige Berechnungen erforderlich.

Zu Beginn des Jahres 1963 war es dann soweit: Gertrud und Erwin Thomas begannen mit dem Aufstellen der Spanten. Wie echte Schiffbauer gingen sie vor, in Witzenhausen war praktisch eine »Werft« entstanden. Insgesamt fanden 22 Quadratmeter Blech von einem Millimeter Stärke Verwendung. Zudem wurden rund 8000 Nieten von zwei Millimeter Durchmesser verbaut. Dabei, so Erwin Thomas, sei seine Frau Gerti ihm eine sehr treue Hilfe gewesen. 5.000 Nieten wurden übrigens im Rumpf verarbeitet, 3.000 in den Aufbauten. Die Nähte der Außenhaut wurden von dem Witzenhausener Modellbauer weich gelötet, wobei fast 20 Kilogramm Zinn draufgingen. Rumpf und Oberteil wurden übrigens in Höhe des Hauptdecks getrennt gebaut. Dadurch war ein Zugang zur Maschine möglich - das Modell erhielt schließlich ein diffiziles Innenleben. Das Haupt-, Sonnen- und Bootsdeck sind mit Pappelholzdielen beklebt worden. Sechs mal drei Millimeter sind die Maße der Hölzer, die insgesamt 1,7 Quadratmeter Fläche bedecken.

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Da es für den Maßstab 1:50 wenig fertig zu kaufen gab, musste Erwin Thomas auch Poller und Rollen selbst herstellen. Für Reling und Schanzkleider verbauten die Eheleute etwa 35 Meter Messingrohr von drei Millimetern Durchmesser sowie 55 Meter Messingdraht. Die 22 Rettungsboote wurden aus Styropor geschliffen, gespachtelt und gestrichen. Die Persenninge hat Gertrud Thomas in der Küche mit der Nähmaschine gefertigt. Hinzu kommen etwa 2,25 Metern an Treppen und Leitern, die ebenso wie jedes Glied der Ankerkette von Hand hergestellt werden mussten.

Besonders viel Sorgfalt verwandte Erwin Thomas auf den Antrieb. Beide Schraubenwellen (aus Eisenrohr von zehn Millimetern Durchmesser) wurden jeweils doppelt kugelgelagert und mit Simmerringen versehen. Dadurch entstand kaum Kraftverlust, aber eine optimale Dichtigkeit war gewährleistet. In diesem Bereich gibt es das beim Modell allerdings auch einen Bruch gegenüber dem Zweischrauben-Vorbild. Erwin Thomas baute ein Aktivruder ein, Modell praktisch wie eine dritte Schraube aussieht.

Grund für diese Abweichung war, dass der Modellbauer nur eine Fünf-Kanal-Fernbedienung besaß. Er konnte die Schrauben immer nur beide voraus beziehungsweise zurück fahren. Zum besseren Manövrieren des Modells baute er das Aktivruder ein. Der Antriebsmotor saß genau über der Ruderachse, und eine biegsame Welle trieb die Schraube an. Bei dem Manöver »Beide Maschinen zurück, Ruder hart Backbord« konnte das Modell fast auf der Stelle drehen. Das erwies sich bei dem 4,12 Meter langen Modell auf engen Gewässern als sehr vorteilhaft. Die Schrauben mit einem Durchmesser von zwölfZentimetern hatte Erwin Thomas aus fünf Millimeter dickem Stahlblech selbst hergestellt.

Gleich drei Autohupen, die im Dreiklang eingestimmt waren, dienten als Typhon. Als Hauptmaschinen baute Erwin Thomas zwei Autolichtmaschinen zu Motoren um. Mit einer selbstgebastelten Steuermaschine wurden die Felder der Motoren umgepolt. Zwei Autoakkus von je 6 V/84 Ah lieferten den Strom, ein Ladegerät war im Schiffsrumpf mit eingebaut. Von all diesen Einrichtungen ist heute nichts mehr vorhanden - das Modell verfügt nicht mehr über einen eigenen Antrieb. Dafür sorgt eine moderne elektrische Anlage dafür, dass die Lampen leuchten. 188 Glühbirnen setzte Erwin Thomas ein. Die Lampen musste er wasserdicht herstellen. Insgesamt verliefen circa 260 Meter Stromkabel durch das Schiff. Stolze 350 Kilogramm brachte das Modell schließlich auf die Waage, bei einer Länge von 4,12 Metern, einer Breite von 0,59 Metern und einer Höhe von 1,05 Metern. Nach mehr als sechsjähriger Bauzeit war es im März 1969 endlich soweit, dass das Modell vollendet war. Es sollte in Cuxhaven-Altenbruch zu Wasser gelassen werden, und es galt, das Problem des Transportes zu lösen. Der Chef der Schlosserei, bei der Erwin Thomas beschäftigt war, stellte dann einen 7,5-Tonnen-Lkw zur Verfügung. Das Modell überstand die 367 Kilometer Fahrtstrecke ohne Schäden und erreichte am 28. Juni 1969 Altenbruch.

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Durch Absprache mit dem Altenbrucher Gemeindedirektor - seinerzeit war Altenbruch noch eigenständige Gemeinde - standen die Freiwillige Feuerwehr sowie ein Kran bereit. So gab es einen weiteren kleinen Stilbruch: Statt wie beim Original mit einem klassischen Stapellauf kam das Modell mit einem »Stapelhub« ins Wasser. Heute ist das in Cuxhaven die gängige Art und Weise, Neubauten ins Wasser zu setzen - Erwin Thomas war der Zeit voraus.

Auf dem Altenbrucher Kanal führte die »Hanseatic en miniature« ihre Fahrten durch. Bei der Jungfernfahrt war das Wetter zwar schön, es herrschte aber ziemlicher Sturm. Das Modell konnte daher nicht mit eigener Kraft fahren, sondern wurde von einem Motorboot gezogen. An einem improvisierten Anleger bewunderten zahlreiche Besucher das Modell - vielen von ihnen war das Original noch in bester Erinnerung.

Erwin und Gertrud Thomas sorgten dafür, daß die Erinnerung an die schöne Hamburgerin wieder wach wurde. Die Illusion einer Musikdampferatmosphäre war perfekt. Ferngesteuert erklangen Shanties und Bordmusik aus dem Schiffsbauch. Anstelle des Flügels stand im »Musiksalon« ein kleines Tonbandgerät. Nachts lag die »Han-seatic« über die Toppen beleuchtet im Altenbrucher Kanal. Nicht der Hapag-Turm, sondern die Zwillingstürme der Altenbrucher Kirche überragten die Szenerie. Die Eheleute Thomas hatten viel Freude am Bau des Modells gehabt - für immer hätten sie es aber nicht behalten können. Es war einfach zu groß. Nach der Katastrophe von New York, die »Hanseatic« war am 7. September 1966 durch ein Feuer so schwer beschädigt worden, dass sie verschrottet werden musste, hatte auch die Reederei kein Interesse mehr an dem Schiff. So trennten sich Gertrud und Erwin Thomas schon aus Platzmangel von dem Schiff. Sie verkauften das Modell bereits 1970 an einen guten Freund in Altenbruch, finanzierten dadurch eine Reise anlässlich ihrer Silberhochzeit nach Norwegen.

Dann gibt es eine Lücke im Lebenslauf des Schiffsmodells. In einem der Folgejahre wurde es jedenfalls lädiert und verrostet in einem Schuppen in Altenbruch wiederentdeckt. Die Stadtsparkasse Cuxhaven kaufte das 4,12 Meter lange Modell und ließ es von Cuxhavener Modellbauern restaurieren. Lange Jahre stand die Hanseatic im Schalterraum der Stadtsparkasse. Heute ist das Modell in einer ständigen Ausstellung im Steubenhöft zu bewundern.