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Kinderheim Nordholz

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Kinderheim Nordholz 1935

Der als Kinderheim Nordholz erbaute Gebäudekomplex hatte eine wechselvolle Geschichte.

Am 17. Juni 1903 erwarb der Bremer Kaufmann Carl Rese das heutige Grundstück von dem Nordholzer Landwirt Peter Wilhelm Luhn günstig zum Preis von nur 520,- Mark. Später legte der Deichsender Gemeindevorsteher Ed. Struß am 11. Juni 1908 im Rahmen der Eintragung einer Hypothek den Wert des Grundstückes mit Stichtag Mai 1907 amtlich auf insgesamt 1510,- Mark fest.

Rese hatte die Idee, dort ein Heim für Kinder des Bremer Mittelstandes (Handwerker, Kaufleute) zu errichten. Den Kindern und Jugendlichen sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich in ländlicher Umgebung vom Stadtleben zu erholen und so gestärkt in das Berufsleben, in erster Linie eine Lehre, einzutreten. Rese warb in Bremen für diese Idee und konnte dafür viel Sympathie und Ermutigung, auch bei den dortigen Honoratioren sowie dem Bürgermeister, erfahren. Es wurden vage Versprechungen gegeben, die Sache auch finanziell zu unterstützen. Er konnte erreichen, dass am 12. Februar 1907 der Bremer Verein "Ferienheim Nordholz" gegründet wurde, der es sich zur Aufgabe machte, diese Idee zu realisieren. Vorsitzender des Vereins war Dr. Julius Michaelis, Konsulent der Bremer Gewerbekammer (heute Handwerkskammer). Nachdem zunächst an ein kleineres Objekt gedacht worden war, entschloss sich der Verein auf Anraten des Bremer Architekten Hans Lassen, dessen größeren Entwurf, der im wesentlichen dem heutigen Gebäudeensemble entspricht, zu verwirklichen. Baubeginn war 1907.

Die Bauleitung lag bei dem Bremer Baumeister Carl Vollmer. Aus dem Eichsfeld gebürtig, hatte er sich in Bremen als kleiner Ein-Mann-Betrieb niedergelassen und stieg dort wegen seiner Tüchtigkeit und seines Fleißes zum bedeutendsten Baumeister der Stadt auf. Er beschäftigte mehrere Architekten. Bedeutende Bremer Bauten, z.B. der Hauptbahnhof, wurden von ihm errichtet. Nach seinem Tode übernahm sein Sohn die Firma, unter dessen Leitung sie jedoch in Konkurs ging und heute nicht mehr existiert.

Das Kinderheim konnte schon ein Jahr später, am 7. Juli 1908, mit einem großen Fest eröffnet werden. Schon bald zeigte sich aber, dass das Projekt nicht auf solider finanzieller Grundlage stand. Es wurde auf Grund von Sympathieerklärungen und unverbindlichen Zusagen begonnen, in Wirklichkeit aber flossen kaum Gelder. Auch war die Auslastung des Heimes nicht wie erhofft. Hier zeigte sich, dass Carl Rese sich vor allem aus egoistischen Gründen für das Projekt eingesetzt hatte: seine Firma lief schlecht, und er spekulierte auf den einträglichen Posten des Heimleiters. Diesen erhielt er auch, war ihm aber nicht gewachsen und wirtschaftete das Heim weiter herunter.

Im Jahre 1909 musste das Heim aus finanziellen Gründen geschlossen werden und der Trägerverein löste sich auf. Ein Konkurs war mangels Masse nicht möglich, und so blieben die Handwerker auf unbezahlten Rechnungen in Höhe von insgesamt ca. 700.000,- Mark sitzen. Selbst das zur Eröffnungsfeier vom Hotel Dölle, Cuxhaven, gelieferte Buffet konnte nicht bezahlt werden.

Im Jahre 1911 hatte die Sache ein gerichtliches Nachspiel: Dr. Michaelis wurde wegen Betruges zwar angeklagt aber freigesprochen, da er gutgläubig und aus Idealismus heraus gehandelt hatte. Unabhängig davon verlor er aber sein gesamtes Vermögen. Als damals wirklich Schuldiger wurde Carl Rese festgestellt, der jedoch zwischenzeitlich verstorben war.

Der Bauunternehmer Carl Vollmer hatte sich, als Zahlungen ausblieben, eine erstrangige Sicherungshypothek auf das Objekt in Höhe von 300.000,- Mark eintragen lassen. Um nicht alles investierte Geld zu verlieren, erwarb er das Heim und versuchte, es anderweitig zu verwenden.

So war zum Beispiel geplant, dort ein Sanatorium oder ein Hotel zu errichten. Beides konnte aber, mit Ausnahme eines kleinen gastronomischen Betriebes, nicht verwirklicht werden. Die Anlage blieb ungenutzt.

Mit Ausbruch des ersten Weltkrieges beschlagnahmte das Militär das Objekt und nutzte es bis Kriegsende vornehmlich als Unterkunft für die Haltemannschaften des nahe gelegenen Marine-Luftschiff-Platzes. Vollmer führte nach dem Krieg langwierige Verhandlungen mit dem Deutschen Reich über eine Nutzungsentschädigung für die Belegung während des Krieges, die er, inzwischen selbst in Geldnot geraten, dann auch am 20. November 1919 in Höhe von 202.886,20 Mark erhielt.

Kinderheim mit heimfahrenden Kindern

Vollmer versuchte, das Objekt zu verkaufen. Ein Angebot des Schwedischen Roten Kreuzes, das nach dem Krieg in den Ländern der Kriegsteilnehmer karitativ aktiv war, lehnte er ab. Er wollte nur Mark als Zahlungsmittel akzeptieren, nicht aber Schwedische Kronen. Dies ergab sich, als der preußische Landesverein vom Roten Kreuz (es gab das DRK noch nicht) auf Vollmers Angebot hin das Objekt für 500.000 Mark kaufen wollte. Der Kaufvertrag wurde am 11. Oktober 1920 mit den Erben Vollmers, er war inzwischen verstorben, vor dem Notar Frenzen in Dorum geschlossen.

Das Geld für den Kauf stammte von der German Society of the City of New York. Die Deutsch-Amerikaner waren nach dem ersten Weltkrieg generell karitativ für ihre alte Heimat tätig. So spendete die New Yorker Society, die übrigens heute noch besteht, 1920 pauschal 3 Millionen Mark (41.275 US-Dollar) in drei Tranchen an das Deutsche Rote Kreuz in Berlin und 1921 noch einmal 2 Millionen Mark (2162,50 US-Dollar). Die unterschiedlichen Umrechnungskurse haben ihre Ursache in der damals herrschenden Inflation. Zusätzlich folgte auf Bitten des Roten Kreuzes eine weitere Spende von 1,2 Millionen Mark (4606,25 US-Dollar) zweckgebunden für die Vervollständigung des Inventars des "Kindererholungsheimes Nordholz Deutsch-Amerika". In dem Rechenschaftsbericht von 1921 ist vermerkt:"This home was, as the communication from the Red Cross in Berlin shows, established through the fund forwarded to the Red Cross by this Society". Aus diesen Spenden erklärt sich die damals vorhandene Inschrift am Hauptgebäude.

Das Kinderheim wurde dann bis in den Ausbruch des zweiten Weltkrieges hinein durch das DRK betrieben. Es war auch "DRK-Landesführer-Schule". Als die Bombenangriffe auf Kiel zunahmen, wurde ein Teil der dortigen Technischen Marinedienststellen in das Objekt verlegt. Gegen Ende des Krieges war es Außenstelle des Marinelazaretts Cuxhaven.

Bei Kriegsende besetzten US-Truppen den Flugplatz Nordholz und nutzten die Anlage als Lazarett für ihre Soldaten. Nordholz gehörte jedoch zur britischen Besatzungszone, und so konnten die Engländer auf Drängen des Landkreises Wesermünde bei den Amerikanern durchsetzen, dass die Anlage als dringend benötigtes Krankenhaus am 18. März 1946 an den Kreisverband Wesermünde des Deutschen Roten Kreuzes übergeben wurde.

Mit Aufstellung der Bundeswehr 1956 beabsichtigte diese, den Flugplatz Nordholz wieder militärisch zu nutzen. Dazu benötigte sie auch die Anlagen des DRK-Krankenhauses.

Am 7. August 1959 wurde der Kaufvertrag zwischen dem DRK und der Bundesrepublik Deutschland geschlossen, welche die insgesamt 20,26 ha große Anlage zum Preis von 2,2 Millionen D-Mark kaufte. Das DRK konnte diese noch bis zur Fertigstellung der Ersatzbauten in Bremerhaven bis Anfang der 1960er Jahre nutzen.

Nach dessen Auszug erfolgte dann der Bau der unterirdischen Bunker, der drei Zubauten sowie des Heizwerkes. Das ursprüngliche Heizwerk von 1908 stand an der Stelle des Zubaues am Westrand des Geländes.

Die Bundeswehr nutzte den Gebäudekomplex als Führungszentrale und Sanitätsbereich. Sie hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr aus diesem Bereich zurückgezogen und wird ihn spätestens im Jahr 2012 ganz aufgeben. Teile werden mittlerweile privat genutzt, so vom Nordholzer Computerclub.

Der Komplex findet sich im Nordholzer Zentrum nord-westlich des Bahnhofes.

Bilder

Quelle

Friedrich-Wilhelm Müller-Meinhard, Nordholz