Cuxpedia sucht Bilder aus Ihrem Fotoalbum. Sie können uns helfen. Mehr...

Muschelkalkbrennerei

Aus cuxpedia
Version vom 25. Dezember 2014, 10:26 Uhr von Hartmut Mester (Diskussion | Beiträge) (Name berichtigt)

(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu: Navigation, Suche
Muschelkalkbrennofen

Auf einer Karte des Schleusenpriels von den Wasserbauexperten Spanniger und Schnell aus dem Jahre 1733 ist zu einer Insel inmitten des Schleusenprieles etwa in Höhe des Lotsenkommendeurshauses der Eintrag zu lesen: "Runder Platz wo der Muschel Kalk gebrannt wird."

Noch vor 125 Jahren war Zement als Mörtel im Ziegelbau recht selten und als selbstständiger Baustoff praktisch unbekannt. Gebaut wurde mit Muschelkalk.

Dieser wurde an der Küste aus Muschelschalen aus dem Watt gewonnen. Dafür gab es speziell den Beruf des Muschelfischers. Er war in den Küstenhäfen beheimatet und baute die Muschelbänke des Wattenmeeres ab. Einer der letzen war der Otterndofer Harm Bohn, der noch weit in das 20 Jahrhundert hinein treffsicher seine Quellen vor Cuxhaven zu finden wusste, wie berichtet wird. Ebenso wurden aber auch Frachtewer nach Hamburg oder Bremen ohne Ladung zu Schillewern. Schill war das gebräuchliche Wort für Muscheln.

In der Regel bestand eine Crew aus 4 bis 5 Schillern und der Kööksch (Köchin), zumeist die Frau des Schiffseigners. Schillfahrer waren im Gegensatz zu den Krabbenfischern schon mal 10 - 14 Tage auf See, bis das Schiff gefüllt war. Die Proviantliste bestand dann vornehmlich aus: Ein paar Flaschen Rum, ein kleines Fass Sauerkraut, ein Sack mit getrockneten Bohnen, mehrere Pfund Pökelfleisch, Speckseiten, Mettwürste, Schinken, Kaffee, Tee und Zuckerhüte.

Muschelfischer im Wattenmeer

Man fuhr mit flachen Wattewern hinaus und ließ sich bei Ebbe trockenfallen. Dabei war es wichtig, dass das Schiff möglichst dicht an der Muschelbank zu liegen kam. Dann zog man mit der flachen, 3 - 4 Meter langen `Pütz´, Körben und den Schillforken zu den oftmals hunderte Meter langen Muschelbänken. Hier wurden die sehr harten Muschelschalen abgebrochen. Dieses war eine sehr schwere Arbeit, da die Bänke sehr fest verwachsen waren. An günstigen Wattstellen findet man bis zu 4500 Herzmuscheln auf einem Quadratmeter.Die gefüllten Rücken-Tragekörbe wurden zunächst mit Prielwasser vom Schlick gereinigt und auf die Pütz entleert. Dann wurde die Ladung zum Ewer geschafft, um über eine ausgelegte Planke an Bord geschafft zu werden. In der Regel kam dann auch die Flut, womit der Feierabend an Bord begann bis zur nächsten Ebbe. War das Schiff dann gefüllt, wurde die Ladung zu einem Ort gebracht, an dem sich der Eigner den besten Preis versprach.

Der richtete sich nicht zuletzt auch nach der Art der gewonnenen Muscheln. Am beliebtesten waren Herzmuschelschalen (Cardium edule), ihrer krausen Oberfläche wegen `de Krusen´ genannt. Ihre Schalen waren am besten zur Muschelkalkbrennerei geeignet und lieferten schneeweißen Kalk. Die Sandklaffmuscheln, `Poggenogen ´genannt, schätzte man nicht, weil ihre Schalen hart waren und im Brande nur schwer zerfielen. Auch die Miesmuscheln, die Schillfischer nannten sie „de Blauen“, hinterließen im Kalkofen viel schwarze Asche. Die Herzmuschel gräbt sich auch nur wenige Zentimeter tief in den grauschlickigen Sandboden ein und streckt dann ihre beiden Siphone aus, um damit Nahrungsstoffe zu filtern, beziehungsweise um Atem zu holen. Ihre Schalen treiben durch Wasserströmung zu großen Haufen zusammen, auch Muschelbänke genannt.

An Land wurde der Schill dann mit Pferdefuhrwerken zur Kalkbrennerei gebracht, wenn sich diese nicht, wie in Cuxhaven, direkt am Hafen befand. Dort wurde er in Kalköfen gebrannt. Dazu wurde der Ofen auf einem Rost nach Sandwichart abwechselnd mit Torf und Schill befüllt, jeweils eine fünf Soden starke Torfschicht, darauf der Schill, eine Torfsodenschicht hoch und das in neun Schichten. Danach wurde der restliche Raum von oben her mit beidem vollgeschüttet. Dabei musste beachtet werden, dass in der Mitte ein senkrechter Brennraum frei blieb. Als Brenntorf diente leichter Weißtorf vor allem aus Hymendorf, der in Torfhäusern gelagert wurde.
Nach dem Befüllen wurden die Luken geschlossen oder mit Steinen verstellt. Dann warf der `Anstecker´ petroleumgetränkte brennende Torfsoden auf das Rost, womit der Ofen in Betrieb war. Stieg der Rauch aus dem Ofen, spendierte der Unternehmer oftmals zwei Schluck Korn `auf guten Brand´. Das dritte Glas wurde `auf die gute Kalkware´ geleert. Während des Brandes wird kohlensaures Gas freigesetzt. Dabei zerspringt der feste Kalk zu sog. ungelöschtem Kalkpulver. [1]

Kalkfugen an einem Bauernhaus

Wenn nach zwei, drei Tagen das über 800° heiße Feuer erlosch, wurde das mit der Torfasche vermischte Kalkmehl aus der unteren Luke gezogen und zum Löschplatz transportiert. Hier wurde der heiße Kalk vom `Löscher´ mit viel Wasser gelöscht, ein stark exothermer Vorgang. Der fertige Kalk wurde noch für einige Zeit in Gruben gelagert, bevor er in den Handel kam.

Damit war der Kalk verkaufsfertig. Eine mit Muschelkalk gefüllte Tonne kostete vor 100 Jahren rund vier Reichsmark. Da Muschelkalk als Mörtel eine hohe Festigkeit hatte, wurde er nicht nur nach Hamburg oder Bremen, sondern auch nach Thüringen oder in die Mark Brandenburg, wo es keinen eigenen Kalk gab, geliefert. Hierbei wurde ab 1896 auch die neu erbaute Nordsee-Bahn zwischen Bremerhaven und Cuxhaven eingesetzt.

Doch der Bau war nicht die alleinige Verwendung. Auch in der Landwirtschaft fand er Anwendung als Futterbeimischung für die Hühner. Sie benötigen ihn, um Eierschalen zu entwickeln. So stellte die ehemalige Otterndorfer Düngemittelfabrik Baumann (heute Raiffeisen) in der Schleusenstraße, `Geflügelkalk´ her. Darüber hinaus diente der Kalk auch noch als Düngemittel.

Zur Zeit ist noch nicht bekannt, wie lange die Cuxhavener Muschelkalkbrennerei bestanden hat, aber in den Jahren nach 1900 begann sich der Zement durchzusetzen, was dann zum Niedergang des Muschelkalkes führte.
Die Bezeichnung des Kalkofenwehles am Wasserturm lässt erkennen, dass es dort vermutlich zumindestens bis 1825 eine Kalkbrennerei gegeben hat. Später war dort eine Ziegelei ansässig, die früher ebenfalls weitverbreitet waren an der Küste.

Eine weitere Kalkbrennerei hat es in Duhnen, Am Grooten Steen, in Höhe des Büttpedderweges gegeben. Dort finden sich in der Karte der Preußischen Landesaufnahme von 1877 zwei Gebäude außerhalb des Dorfes Duhnen, ebenso 1897. In gleicher Karte von 1926 findet sich nur noch die örtliche Bezeichnung, nicht mehr die Bauten. Weiteres ist leider nicht bekannt.


Fußnoten

  1. CaCO3 = CaO + Co2

Quelle

  • Karl-Heinz (Hein) Carstens, Langen
  • Hadeler Kurier