A27
Die A27 ist Cuxhavens Anbindung an das deutsche Autobahnnetz.
Es regnete zwar nicht, aber ein schneidender Wind pfiff der kleinen Gruppe entgegen, die sich am 13. März 1975 - angetan mit Gummistiefeln - zu einem denkwürdigen Augenblick auf den Weg machte. Es waren Oberbürgermeister Werner Kammann (MdL), Oberstadtdirektor Dr. Hans-Heinrich Eilers, Stadtbaurat Dipl.-Ing. Rolf Gelhausen und mehrere Ratsmitglieder, die an diesem Tag Ministerialdirigent Walter Hartwigk -den Leiter der Abteilung öffentliche Arbeiten im Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft und Verkehr - durch Matsch und Pfützen zum »ersten Hebeldruck« begleiteten, mit dem offiziell der Bau der Autobahn von Cuxhaven nach Bremerhaven beginnen sollte. Mit diesem ersten Hebeldruck wurde der Cutter in Betrieb gesetzt, der den nicht tragfähigen Untergrund ausspülte. Das ganze sah deshalb auch mehr nach Kanal- als nach Autobahnausbau aus. Am 4. Dezember 1981 wurde die Autobahn eingeweiht.
Der schlechte Untergrund in und um Cuxhaven war übrigens auch die Ursache für die ungewöhnlich lange Bauzeit von sechseinhalb Jahren für nur 25,5 Kilometer. Und eine Teerdecke sowie Messzellen haben die Autofahrer noch eine ganze Zeit daran erinnert, dass diese Autobahn stellenweise einer Experimentierstrecke glich, die über eine schier grundlose Schlickrinne von 32 Meter Tiefe führt.
Die Idee, Cuxhaven an das Autobahnnetz anzuschließen, wurde bereits vor 1930 geboren. Zwar sprach 1926 noch niemand von der Autobahn, als der Verein zur Vorbereitung der Autostraße Hamburg-Frankfurt-Basel gegründet wurde, diese Bezeichnung propagierte der Pressechef der »Hafraba« erst zwei Jahre später in seiner gleichnamigen Zeitung, doch die Bedeutung des Projektes wurde in Norddeutschland sofort erkannt. Als erste meldeten sich die damaligen Wesermünder - heute Bremerhavener - zu Wort und bemängelten, daß zwar Bremen, nicht aber sie, an diese Autostraße angeschlossen werden sollten. Wesermünde versuchte daher, im benachbarten bremischen Stadtteil Bremerhaven einen Verbündeten zu finden.
Für Cuxhaven war auch ein Anschluss vorgesehen, aber nicht von Süden, sondern von Hamburg her. Diese Planung hing damals sicherlich nicht nur mit der Zugehörigkeit der Stadt Cuxhaven zur Freien und Hansestadt Hamburg zusammen. Auch der Landverkehr orientiert sich weitgehend an Flussläufen, weil Handel und Wandel ihnen folgten. Die Forderung der Stadt nach einer besseren Verkehrsverbindung mit Hamburg ist also keineswegs neu. Nur wurde die Notwendigkeit höheren Orts bereits damals erkannt.
Den Bremern und Wesermündern ging es damals auch nicht gleich um den Bau einer Autobahn, wie wir sie heute kennen. Ihnen kam es in erster Linie auf eine intakte Straßenverbindung von der Wesermündung nach Bremen an. Als Begründung schrieb das Landesdirektorium der Provinz Hannover am 27. August 1928 unter anderem: »Bekanntlich bringen die Amerikaner in stets wachsendem Umfang ihre Kraftwagen mit herüber und fahren von hier aus ins Reich hinein. Es ist eine sehr schlechte Visitenkarte, die ihnen Deutschland mit der zuerst von ihnen berührten Straße abgibt.« Dieses Problem konnte aber bald darauf gelöst werden; die Straße wurde ausgebaut. Auch über den Bau der Autostraße Hamburg-Bremen und die Finanzierung des Projektes kam es zwischen der Provinz Hannover und Bremen zu einer grundsätzlichen Verständigung, und die Arbeiten begannen alsbald. Geblieben war jedoch ein anderes Problem, und zwar das der Straße Wesermünde-Cuxhaven.
Aber Geld war knapp, und so zogen sich die notwendigen Arbeiten bis 1937 hin, natürlich nicht als Autobahnbau. Von der war auch 1939 noch nicht die Rede, als die Cuxhavener Zeitung am 30. August - also nur wenige Tage vor Kriegsausbruch - das Zehnjahresprogramm für den Straßenbau vorstellte, das wesentliche Verbesserungen in der Nordwestecke des Reiches bringen sollte. So den Ausbau der Reichsstraße R6von Cuxhaven nach Hamburg und von Cuxhaven nach Wesermünde.
Ortsdurchfahrten sollten beseitigt sowie Brücken erweitert und erneuert werden. Ja, es war sogar beabsichtigt, die späteren Bundesstraßen 73 und B66 durch eine Umgehung von Cuxhaven zu vereinigen.
Dann kam der zweite Weltkrieg, und jeder hatte andere Sorgen. Doch schon 1952 - vier Jahre nach der Währungsreform - regte sich wieder der Wunsch nach einer »Bäder-Schnellstraße«, so stand es jedenfalls in der »Cuxhavener Zeitung«, die das im März unter der Überschrift »Ein bisschen Zukunftsmusik« meldete.
Als Hamburg seine Vorhafenpläne entwickelte, kam auch wieder die Autobahn Cuxhaven-Hamburg ins Gespräch. Es war der damalige Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm, der im Februar 1961 auf einer Tagung der »Deutschen Partei« einen Vortrag über dieses Thema hielt und vorsichtig meinte, mit dem Bau könne aber erst in zehn Jahren begonnen werden. Richtig konkret wurde allerdings erst der dritte Vierjahresplan des Bundesverkehrsministeriums, der von 1967 bis 1970 den Bau von 1.000 Kilometern Autobahn vorsah, unter anderem auch den Anschluss von Cuxhaven und Bremerhaven an das bestehende Netz. Und der Bundesverkehrsminister bezeichnete die Weiterführung der Autobahn von Bremen nach Bremerhaven und Cuxhaven sogar als »EWG-Rettungsring« für die beiden großen deutschen Fischereihäfen.
Nur als er 1964 die Fertigstellung dieses »Rettungsringes« bis 1969 in Aussicht stellte, irrte er sich gewaltig, und das nicht nur wegen der Schwierigkeiten mit dem Untergrund. Man schrieb bereits den 11. April 1970, als die »Cuxhavener Zeitung« meldete, dass die Planungen für den Autobahnbau nun kurz vor dem Abschluss stehen. Eine Delegation der Stadt Cuxhaven hatte diese Nachricht aus Bonn mitgebracht, und Oberstadtdirektor Dr. Eilers trat gleichzeitig Gerüchten entgegen, die von einer Verzögerung wegen Finanzierungsschwierigkeiten wissen wollten.
Dass es fünf Jahre später - am 13. März 1975 - dann endlich soweit war, war nicht zuletzt das Verdienst des damaligen Direktors der Hamburger Landeszentralbank, Hans Hermsdorf.
Ministerialdirigent Walter Hartwigk setzte den Cutter in Gang, der das letzte Teilstück der Autobahn zwischen Bremen und Cuxhaven in Angriff nahm. Es sollte das schwierigste Teilstück werden, aber das wussten die Autobahnbauer bereits. Schon bei der Umgehung von Bremerhaven hatten sie sich mit widrigen Bodenverhältnissen herumplagen müssen. Rohr- und Geestniederung waren teilweise überbrückt worden. Doch daran war im »Hadeler Becken« nicht mehr zu denken, denn inzwischen waren die Kosten so hoch geworden, dass nach anderen Lösungen als totalem Bodenaustausch oder Überbrückung gesucht werden musste. So wurde das »Hadeler Becken« zum Experimentierfeld der »Bundesanstalt für Straßenbau« in Köln. Teils wurde mit einer Vertikaldränage gearbeitet, die wie riesige Dochte in den Boden versenkt wurden, um das Wasser aus dem schwammigen Untergrund zu holen. An anderer Stelle ruht die Fahrbahn auf Matten. Aus Singapur kam per Schiff ein Verdichter, der dort bei der Verlängerung der Start- und Landebahn ins Meer hinaus eingesetzt gewesen war und nun aus 32 Metern Höhe sein Gewicht auf die zukünftige Autobahnstraße fallen ließ.
Um kontrollieren zu können, ob der Boden sich wirklich so verhielt, wie sie voraus berechnet hatten, verbuddelten die Straßenbauingenieure für rund eine Million Mark Messinstrumente in der Trasse und bauten in regelmäßigen Abständen Messzellen am Rande der Autobahn, bevor ein sogenannter Überlastungsdamm aufgeschüttet wurde. Und nun hieß es warten und die Zeit arbeiten lassen.
Bis alles fertig war, hat die Autobahn von Bremerhaven nach Cuxhaven 138 Millionen Mark gekostet. Das ergibt bei einer Länge von 25,5 Kilometern einen Kilometerpreis von 5,41 Millionen Mark. In diesen Kosten sind auch 26 Bauwerke enthalten, 17 Über- und neun Unterführungen. Was diese Autobahn aber für die Wirtschaft der Stadt Cuxhaven und des Umlandes bedeutet, lässt sich nicht annähernd in Mark und Pfennig abschätzen. Transportkosten wurden gesenkt , und das Nordseeheilbad ist von Süden und Westen her schneller und vor allem nervenschonender zu erreichen
Hinweis: Siehe auch Autobahn-Notlandeplatz Midlum