Flaschenpost
Flaschenpost kann man als eine besondere Art des Treib- bzw. Strandguts ansehen, weil die Flasche mit dem Inhalt gefunden werden soll. Vielleicht gab es schon die Situation, bei der eine Person mittels Flaschenpost die Sorgen und Probleme dem Meer anvertraute und niemand die Flasche finden sollte[1]. Bei anderem Strandgut ist das schon vorgekommen (siehe Liebesschränkchen auf der Seite Strandgut). In den Niederlanden wurde Flaschenpost (Flessenpost) früher U-Boot-Post bzw. Neptun-Post genannt. Übrigens kann man unter www.cuxhaven.de/aktuelle-nachrichten/flaschenpost.html Neuigkeiten aus Cuxhaven erfahren.
Inhaltsverzeichnis
Flaschenpost für Forschungszwecke
Flaschenpost wurde nicht nur aus Spaß oder Neugier bzw. zur Nachrichtenübermittlung, sondern auch zur Untersuchung von Meeresströmungen verwendet. Als Vorläufer solcher Flaschenpost könnte man das Vorhaben des griechischen Philosophen und Naturforschers Theophrastos von Eresos (371-281 v. Chr.) betrachten. Unter der Vermutung, dass der Atlantische Ozean die Verhältnisse im Mittelmeer beeinflusst, setzte er mehrere Krüge bei Athen in die Ägäis aus.
1864 begann Georg Balthasar Ritter von Neumayer (1826-1909) ein Flaschenpostexperiment, um Strömungen der Weltmeere zu erforschen. Er reiste 1864 von Australien zurück nach Deutschland und warf 45 Flaschen über Bord. Er erhielt keine Rückmeldung. Ab 1887 erhielten Kapitäne deutscher Handelsschiffe jeweils eine leere Flasche und ein vorbereitetes Formular. An genau festgelegter Position sollte die gut versiegelte Flasche mit dem Formular und dem eingetragenen Datum über Bord geworfen werden. Der Finder wurde gebeten, das Formular mit Fundort und Datum zu ergänzen und es nach Hamburg an die Deutsche Seewarte[2] zu senden. Heutzutage verwendet das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie[3] für diese Zwecke Argo-Treibbojen[4].
Der Kapitän des Dreimastschoners[5] "DONA EVELINA" setzte 1893 zeitgleich zwei Flaschenposten im Atlantik aus. Eine Flasche legte 984 Seemeilen (1820 Kilometer) zurück und wurde nach 196 Tagen gefunden. Die andere Flasche ist nach 377 Tagen und einer Entfernung von 3421 Seemeilen (6336 Kilometern) vorgefunden worden. Beide Flaschen trieben in entgegengesetzte Richtungen! Die Ankunftsländer waren Sierra Leone (Westafrika) und Nicaragua (Mittelamerika).
Durch Zufall ergab sich 1992 eine andere Untersuchungsmöglichkeit. Bei einem Sturm im Januar des Jahres gingen fast 30.000 gelbe, rote, blaue und grüne Plastikbadetiere über Bord eines Containerschiffes. Der Ozeanograf Dr. Curtis Ebbesmeyer verfolgt die Ausbreitungswege.
Am 15. Juli 2019 fuhr eine Kindergruppe mit dem Flachwasserforschungsschiff "LUDWIG PRANDL"[6]. Die Kinder setzten ihre Anschriften unter 27 Briefe. Ungefähr auf halber Position zwischen den Inseln Rügen und Bornholm wurden die Flaschen in die Ostsee geworfen. Es gab 11 Fundmeldungen. Die erste Flasche kam am 5. August auf Rügen an. Die letzte der 11 Flaschen war am 13. März 2020 auf der Insel Öland (Schweden) gestrandet. Drei Flaschen legten einen weiteren Weg bis zur schwedischen Insel Gotland zurück. Sie wurden aber früher gefunden.
Im Rahmen eines Schulprojektes sind in Florida 150 Flaschen in den Atlantik geworfen worden. Nur 16 Monate später fand der irische Schüler Adam Flannery die Flasche von Carey Swearingen am Strand der irischen Westküste. Diese Flasche hatte 6.000 Kilometer zurückgelegt. Entsprechend einer Computersimulation hätte die Flasche mindestens 24 Monate benötigt. Meeresforscher bezeichnen solche Flaschen als "Lucky Bottle" oder als "Zufallsflasche".
Privatpost
Nach Expertenmeinungen erfolgt das Versenden von Flaschenpost meistens im Urlaub. Fachleute schätzen ein, dass nur 10 % der Flaschenpost aufgefunden wird. Professor Wolfgang Struck[7] stieß bei seinen Literaturrecherchen auf keinen Fall, bei dem Verunglückte über Flaschen Hilfe anforderten.
Expertentipps zum Verschicken einer Nachricht:
- Flasche aus Klarglas verwenden (keine gefärbte Flasche), damit man den Inhalt sehen kann
- Flasche möglichst mit Naturkork verschließen; Schraubverschluss ist ungünstig
- keine Plastikflasche (Müll, Mikroplastik)
- Windrichtung beachten, ein paar Meter ins Meer gehen und weit werfen
- günstige Standorte in der Ostsee: Ostküste - z. B. von Rügen
Expertentipps zum Suchen von Flaschenpost:
- möglichst nach einem Sturm
- an Buchten, in denen Strömungen zum Erliegen kommen
- hinter Nehrungen[8]
- hinter kleinen Halbinseln
Solche Flaschenpostfallen liegen im toten Winkel von Strömungen und von Wirbeln. In der Ostsee als Binnenmeer bestehen bessere Chancen als in der Nordsee, um Flaschenpost zu finden.
Im Buch "Flaschenpostgeschichten" beschreibt Oliver Lück Begegnungen und Ereignisse, die er in mehreren Ostseeanrainerstaaten erlebte. Hierzu gehören u. a.:
- Im Sommer 2008 hatte er eine Begegnung mit der Lettin Birute Kerve. Sie zeigte ihm 35 Flaschenpostbriefe.
- Er besuchte den schwedischen Fischer Arne Nordström, der über 100 Briefe gefunden hatte.
- Der Strandvogt Mogens Christensen auf Bornholm hatte über 200 Flaschenpostbriefe gefunden - viele aus der ehemaligen DDR.
- Er lernte Peter Scharstein aus Kiel kennen, der ein leidenschaftlicher Flaschenpostblogger ist.
- Auf Rügen verschickt ein Mann regelmäßig Flaschenpost. Über 30 Antworten aus sieben Ländern hat er erhalten.
In den Medien sind solche Meldungen erst zu finden, wenn zwischen dem Abschicken und dem Finden mehrere Jahre liegen. Anfang des Jahres 2020 fand eine Bewohnerin der Insel Langeoog eine Flaschenpost, die am 12. April 2004 von Paula aus Freiburg im Breisgau geschrieben wurde. Das Foto des Briefes wurde über Facebook 40.000 Mal geteilt und erreichte dann Paula. Sie hatte die Flaschenpost auch auf Langeoog abgeschickt.
Nach einer schweren Sturmflut im Oktober 2023 fuhren Maria und Dirk Capdepon zu ihrem überfluteten Campingplatz nach Karlsminde (Kreis Rendsburg-Eckernförde). Vieles war dort zerstört. Doch der eigene Campingwagen blieb unversehrt. Dort fanden sie eine Flaschenpost von Michel Sturm (damals 9 Jahre alt) vom 26. Oktober 2004, die von der Mole zwischen Kiel-Schilksee und Strande (Kreis Rendsburg-Eckernförde) abgeschickt wurde. Die angegebene Telefonnummer stimmte noch. So nahmen sie Kontakt auf.
Vanessa Schönleben ging auf Borkum mit ihrem Hund Gassi und fand eine Plastikflasche mit einem Brief vom damals fünfjährigen Florian. Dieser Brief war schon 20 Jahre alt und noch lesbar. Die Suchmeldung über Facebook wurde innerhalb von 24 Stunden 1679 Mal geteilt. BR und NDR hatten später eine Bildleitung zwischen Florian (Würzburg) und Vanessa aufgebaut.
Am 23. Oktober 2023 sammelten Robert Bayer und seine Tochter Nina Plastikmüll am Naturstrand von Großenbrode (Kreis Ostholstein). Dabei entdeckte Nina eine Plastikflasche mit einem Brief. Die Schrift war noch gut zu lesen. Über Internet fanden sie die Telefonnummer der Mutter des Briefeschreibers heraus. Patrick Oeser hatte als Zehnjähriger in den Sommerferien 2002 die Flaschenpost von einer Fähre bei Rügen in die Ostsee geworfen.
Auch Briefmarkensammler verwenden noch Flaschenpost. Sie werfen Flaschen z. B. mit einer Postkarte ins Meer und hoffen, dass diese Flaschenpost in anderen Ländern angespült wird. Auf diese Art versuchen sie, Nachrichten mit fremden Briefmarken zu erhalten.
"Rekorde"
Die älteste Flaschenpost soll am 14. Juli 1864 vom Schiff "NORFOLK" bei Kap Hoorn (dem südlichsten Punkt von Südamerika) ins Meer geworfen worden sein. Der Arbeiter Michael O´Donohue fand sie drei Jahre später in der Nähe von Portland (Australien). Die Flasche hatte 8532 Seemeilen (15.800 Kilometer) zurückgelegt. Das entspricht einer Reisegeschwindigkeit von rund 8 Seemeilen pro Tag. Am 9. Juni 1867 wurde die Post zurückgeschickt.
Als Flaschenpost mit der längsten Reisezeit gilt der Fund von Tonya und Kym Illmen vom 28. Januar 2018 beim Einsammeln von Müll. Sie lag in Wedge Island (Australien) in einer Treibgutfalle im nassen Sand. Nach vorsichtigem Trocknen war das Dokument lesbar. Am 12. Juni 1886 wurde die Flaschenpost von der Bark[9] "Paula" auf der Fahrt von Wales nach Indonesien im Indischen Ozean[10] über Bord geworfen. Ein Indiz für die Richtigkeit des Datums ist die Flasche mit dem Schriftzug "DANIEL VISSER & ZONEN/SCHIEDAM". Dieser Flaschentyp wurde zwischen 1880 und 1900 hergestellt.
Vorher betrug die längste nachgewiesene Zeit zwischen dem Versenden und dem Auffinden über 108 Jahre. Marianne Winkler fand 2015 die Flaschenpost der Marine Biological Association, Plymoth (England) auf der Insel Amrum (Kreis Nordfriesland). Die Karte Nr. 57[11] war am 30. November 1906 in die Nordsee geworfen worden. Nach dem Zurücksenden der Karte erhielt Frau Winkler den versprochenen alten Shilling, den die MBA bei eBay ersteigert hatte.
Die vorher längste Zeit einer Flaschenpost war 99 Jahre.
Sammlungen und Museen
Die Flaschenpostsammlung des BSH umfasst 662 Briefe. Das BSH vermutet, dass das die größte Sammlung der Welt darstellt.
Aber nach eigenen Angaben fand der Strandräuber Wim Kruiswijk zwischen 1983 und 2017 am Strand von Zandvoort (Provinz Nord-Holland) 1200 Flaschen mit Flaschenpost, die er - soweit möglich - beantwortete. Dadurch entstanden jahrelange Brieffreundschaften. 2010 schrieb er das Buch "Flaschenpost. Das Meer als Postbote"[12].
Das ehemalige Juttersmuseum Zandvoort (Strandräubermuseum) stellte neben einem Stück einer NASA-Rakete auch Brillen und Flaschenpost aus. 2010 war der 250.000ste Besucher begrüßt worden.
Im Landbouw- en Juttersmuseum Swartwoude (Landwirtschafts- und Strandräubermuseum) auf der westfriesischen Insel Ameland im Ortsteil Buren kann man seit April 1992 auch Flaschenpost sehen. Jährlich kommen etwa 10.000 Besucher.
Literaturhinweise
- Flaschenpost. Ferne Botschaften, frühe Vermessungen und ein legendäres Experiment - Struck, W. - Hamburg: Mareverlag, 2022 - 224 S. - ISBN 9783866486737 - 36,- €
- Flaschenpostgeschichten. Von Menschen, ihren Briefen und der Ostsee - Lück, O. - Hamburg: Rowohlt Verlag, 2016 - 272 S. - ISBN 9783499630859 - 10,- €
Weblinks
BSH Faszination Flaschenpost NDR Glücksbringer NDR
Fußnoten
- ↑ Ähnlich wie im Roman "The Letter in the Bottle" von Karen Liebreich
- ↑ Die Deutsche Seewarte existierte von 1875 bis 1945.
- ↑ Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) und der Deutsche Wetterdienst (DWD) sind die gegenwärtigen Nachfolgeeinrichtungen der Deutschen Seewarte.
- ↑ Argo-Treibbojen: autonom messende Treibkörper; um 2020 waren fast 4.000 Exemplare in den Weltmeeren.
- ↑ Schoner: Segelschiff mit zwei oder mehr Masten, dessen vorderster Mast nicht der höchste ist
- ↑ Die "LUDWIG PRANDL" gehört dem Helmholtz-Zentrum Hereon (vorher Helmholtz-Zentrum Geesthacht); Baujahr 1983; IMO-Nr. 8332320; 31,03 m lang; 6,10 m breit; Tiefgang 1,65 m; Verdrängung 171 BRZ
- ↑ Wolfgang Struck ist Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Erfurt.
- ↑ Nehrung: schmaler Sandstreifen, der ein Haff vom Meer trennt
- ↑ Bark: Segelschiff mit mindestens drei Masten; vorn mit Rahsegel und hinten mit Schratsegel
- ↑ Auf dem Brief waren folgende Koordinaten vermerkt: 32° 49' (S) und 105° 25' (E), d. h. westlich von Perth (Australien) (?)
- ↑ Bei dieser Untersuchung wurden zwischen 1904 und 1906 über 1020 Flaschen verschickt.
- ↑ Flessenpost. De zee als postbezorger - Kruiswijk, W. - Lanasta, 2010 - 104 S. - ISBN 9789086160662; Das Buch wird vom Verlag nicht mehr vertrieben.