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Seeheim

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Postkarte von 1913

Seeheim war ein Kinderheim und eine Küstenbatterie in Sahlenburg.

Geschichte

Eingangstor

Am 7. Juli 1911 wurde das Seeheim `Wernerwald´ als Erziehungs- und Erholungsheim der `Ferienkommission des wohltätigen Schulvereins zu Hamburg´ am westlichen Rand des Wernerwaldes eröffnet, u.a. unter Teilnahme von Bürgermeister Bleicken. Es wurde dem Verein für eine jährliche `Rekognition´ von 3.- RM vom Hamburger Senat zur Verfügung gestellt und geleitet von Frl. Matthaei. Seeheim befand sich in der Nähe des 2014 abgerissenen Marineturms. Es gab in Seeheim:

  • Mittig ein Wirtschaftsgebäude aus Stein für die Leitung des Heimes mit 5 Schlafräumen für das Personal im Dachgeschoss. Im Erdgeschoss einen Raum für die Verwaltung, eine Wohnstube, Vorratsraum und große Küche.
  • Nördlich davon eine Wohnbaracke mit drei Schlafsälen und Essraum für 56 Kinder. Maße: 24 x 6 Meter.
  • Südlich ein zweiter gleich großer Pavillon mit Ess- und Spielsaal.
  • Nebengebäude, Klosett, ein Stall für einige Schweine und einen Esel und eine `4-pferdige Wind-Kraftstation für Beleuchtung und Trinkwasserpumpe. Die Windanlage wurde in einem Sturm umgelegt.
  • Einen durch Schmiedemeister Meyer aus Altenwalde erstellten Brunnen.

Die Anlage gehörte ursprünglich zur Realschule an der Bismarckstraße in Hamburg. Zur Deckung der Kosten bewilligte der hamburgische Staat im Jahre 1913 eine Summe von 19.000 Mark, sodass im diesem Jahr 400 bedürftige Hamburger Kinder aufgenommen und betreut werden konnten. Die Kinder blieben jeweils 28 Tage zum Preis von 50 RM, sofern sie nicht durch die Armenverwaltung kostenlos verschickt wurden.

Während des ersten Weltkrieges wurde Seeheim von der Kaiserlichen Marine übernommen und eine Maschinengewehrbatterie der Luftabwehrabteilung (L.A.A.) der Kaiserlichen Marine stationiert. Zur Batterie Seeheim gehörte auch die Batterie Nordheim, in der Nähe der Nordheimstiftung.

Die Aufgabe der Luftabwehr war der Schutz der weithin sichtbaren Zeppelin-Hallen des Luftschiffhafens in Nordholz vor feindlichen Fliegerangriffen. Zur Ausrüstung gehörten in Seeheim 11 Maschinengewehre, in Nordheim ein Scheinwerfer G90, ein Horchtrichter und vier 3,7 cm Revolverkanonen.

Im November 1915 waren in Seeheim 1 Offizier, 1 Feldwebel, 11 Unteroffiziere und 107 Mannschaften stationiert.

Ab März 1918 bis Kriegsende im November führte Leutnant z. S. Hans Bötticher (alias Joachim Ringelnatz) die Batterie. Während des Krieges nannte er sich Gustav Hester.

Seeheim und Nordheim bestehen heute nicht mehr. Ein Modell der Anlage befindet sich im Aeronauticum in Nordholz.

Nach dem Krieg übernahm der wohltätige Schulverein Hamburgs ab 1921 das ehemalige Kurhaus Duhnen und spätere Ove-Ovens-Haus für mehrere Jahre (s.d.).

Lage

Seeheim lag nordöstlich des 2014 abgerissenen Marineturmes zwischen Waldrand und Campingplatz. 2009 waren noch Fundamentreste vorhanden, die offenbar zu Seeheim gehörten [1]


Bilder



Fußnoten

  1. 1,0 1,1 Bestätigt durch Zeitzeugen

Karte

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Ringelnatz: Als Mariner im Krieg - über Seeheim

Ich fuhr nach Seeheim. Eine Maschinengewehrbatterie, die ebenso wie die in der Nähe gelegene 3,5 Revolverkanonenbatterie Nordheim mir künftig unterstellt sein sollte. Nordheim lag eine Stunde weit von Duhnen ab, Seeheim noch eine Viertelstunde weiter, beide zwischen Sanddünen und Kiefergebüsch versteckt. In Duhnen war jetzt Kapitänleutnant Reye als mein Kompanieführer. Ich stapste mit bangen Gefühlen dorthin und fand Reye noch banger und mißgelaunter. Er übermittelte mir den Befehl des Herrn Schröder, mich schleunigst und intensiv mit dem Maschinengewehr, der Revolverkanone und dem Batteriebetrieb vertraut zu machen. Ich wußte ja schon mancherlei davon, aber viel nicht, und die Materie reizte mich herzlich wenig. So trug ich zunächst einmal dafür Sorge, mein Wohnzimmer und mein Schlafzimmer freundlich einzurichten. Diese Räume befanden sich in einem Steinhaus, sonst gab es nur noch Holzbaracken in Seeheim. Mein Wohnraum lag im Parterre; ein Flügel stand darin, der meinem Vorgänger gehörte, dem musikalischen Sänger und Leutnant de Harde. Der war krank ins Lazarett gekommen. In Seeheim unterstanden mir vorläufig zwei Feldwebel, ein Obermaat und dreiundzwanzig Mann. In Nordheim war ein B.-G.-Entfernungsmesser und ein Horchtrichter. Ich ließ mir alles erklären, ließ mir Meldungen erstatten und hatte den ganzen Tag Befehle zu unterschreiben. Seeheim war vor dem Kriege ein Kindererholungsheim gewesen und mit Bettzeug, Porzellan, Glas usw. reichlich ausgerüstet. Ein hoher eiserner Turm neben den Baracken trug eine Windmühle, die das elektrische Licht speiste und das Brunnenwasser pumpte. Auch ein großes Terrarium fand ich vor, dessen Scheiben zerschlagen waren. Ich ließ es sofort ausbessern von dem geschickten bayrischen Obermaat Brandmeier, der für alles Rat wußte. Es wurde derzeit eine Abteilung von Reserveoffiziersaspiranten in Seeheim ausgebildet. Dafür war Bobby als Kommandant ersehen. Das war mir gar nicht recht, ich wollte am liebsten dort allein herrschen. Der Umstand, daß meine Vorgesetzten mehr als eine Stunde weitab in Duhnen lebten, hatte mir Seeheim sofort sympathisch gemacht. Gerade weil ich allein war, ging ich mit größtem Eifer an meine Arbeit.

Als ich mich mittags zu kurzer Rast auf meinen Diwan ausstreckte, kam mein Bursche Becker gelaufen und rief: »Herr Leutnant! Herr Leutnant! Es kommen Offiziere.« Ich wollte mich vor meinen Vorgesetzten nicht auf dem Diwan überraschen lassen und beeilte mich also, diesen und meine Uniform in Ordnung zu bringen. Die Neuankommenden waren zwei Offiziere und ein Flugmeister, die im Nebel mit einem Flugzeug abgestürzt waren. Das Flugzeug war aufs Watt gestürzt. Die drei Insassen waren lebend davongekommen und hatten, nur nach dem Kompaß sich richtend, den sechsstündigen, schwierigen und gefährlichen Weg durch Nebel und Priels gefunden. Geradezu ein Wunder, das außerdem nur bei Ebbe möglich war. Nun trafen sie mit Schmutz bedeckt und aus vielen Wunden blutend bei mir ein. Selbstverständlich setzte ich alle Hebel in Bewegung, gab ihnen Waschgelegenheit, ließ ihre Kleider reinigen, und weil unser Sanitätsgast gerade abwesend war, rief ich telefonisch den Stabsarzt Kneise aus Duhnen herbei. Es stellte sich heraus, daß dieser humorvolle und begabte Herr mit mir entfernt verwandt war. Mein Vorgänger de Harde hatte außer dem Flügel auch einen stattlichen Weinvorrat zurückgelassen, und es war mir keine leichte Selbstverständlichkeit gewesen, diesen Privatbestand nicht anzurühren. Nun lag hier aber ein Unglücksfall vor, und so saßen denn die Abgestürzten und der Stabsarzt mit mir bald bei Rührei und Wein, und wir tranken eine Flasche nach der andern, so daß wir in die harmonischste Stimmung gerieten. Sie erzählten, daß das Flugzeug sich tief ins Watt eingebohrt hätte, total zerschmettert und nicht mehr zu brauchen wäre. Sie hatten nur Chronometer und andere wertvolle kleine Gegenstände mitgenommen. Sie hatten Notraketen abgeschossen, die aber von Neuwerk nicht bemerkt waren. Ich ließ ein Auto aus Cuxhaven kommen und die Verwundeten ins Lazarett fahren. Heimlich hatte ich mir in den Kopf gesetzt, das Flugzeug oder wenigstens seinen wertvollen Motor zu bergen. Am siebenten April, drei Uhr morgens machte ich mich mit sechs Mann und einem Handwagen auf. Wir liefen im Laufschritt – um vor der Flut noch zurück zu sein – über das Watt, mußten häufig tiefe Priels durchwaten. Manchmal wurden diese so tief, daß wir umkehren und sie in weitem Bogen umgehen mußten. Dann wieder ging es durch tiefen Schlamm, dann über Muschelbänke oder über festen, überrieselten und durch das Rieseln hübsch gemusterten Boden. Vom diesigen Hintergrund hoben sich Reiher und Möwen ab. Indes fanden wir das Flugzeug nicht, und es war ein Glück, daß ich einen kleinen Kompaß bei mir hatte. So konnten wir vor der Flut zurückeilen. Aber nachmittags mit Ebbe zogen wir abermals aus. Obermaat Brandmeier riß mit seiner Begeisterung die anderen mit, die sonst, besonders in den kalten Prielwassern, wohl ihren Mut verloren hätten. Endlich sichteten wir das Wrack in der Ferne, und wenn wir es auch für diesmal nicht erreichen konnten, so merkten wir uns doch Weg und Richtung. Auf dem Rückzug fanden wir eine angeschwemmte, offene Kiste mit Butter, davon allerdings die Hälfte schon von den Möwen ausgepickt war. Den Rest machten wir uns genießbar, indem wir ihn mit Brotstücken ausbrieten. Auch für Seife blieb etwas übrig. Bei der dritten Expedition erreichten wir, die letzte Strecke mit Hurra zurücklegend, das Wrack, ein großes Wasserflugzeug, das sich tief in den harten Grund eingebohrt hatte und so zersplittert war, daß wir gar nicht begriffen, wie die Insassen mit dem Leben davongekommen waren. Wir führten Äxte und Sägen mit uns und machten uns nun geschwind daran, die Trümmer zu zerkleinern und abzutragen und den Motor herauszuhauen, den wir am nächsten Tag mit einem Wagen holen wollten. Denn die Flut kam schon. Wir beeilten uns, nahmen aber jeder etwas »Weggeschwemmtes« zum Andenken mit, ich einen Pelzmantel, ein Lederkissen und einen Kompaß in kardanischer Aufhängung.....


Ringelnatz: Als Mariner im Krieg - über Nordheim

Nahe bei Nordheim, auch am Strande, nach Duhnen zu, lag das Privathospital Nordheimstiftung. Ich stattete der Oberin einen Besuch ab. Sie war eine ältere, aber frisch aussehende Dame mit blanken Zähnen und einer duftigen Schürze.