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Nissenhütte: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Cuxhavener '''Nissenhütten''' waren nachkriegs-Notunterkünfte.
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Die Cuxhavener '''Nissenhütten''' waren Nachkriegs-Notunterkünfte.
  
Die Bevölkerungzahl lag durch die Flüchtlinge im Oktober 1946 bei 125 % der Vorkriegsmenge. Gerechnet mit dem verbliebenen Wohnraum und der zusätzlichen Einquartierung englischer Besatzer, die für sich bereits 1500 Wohnräume requirierten, blieb pro Person im Extremfall 4 m² übrig. (Meine Eltern wohnten zu Beginn der 50er Jahre mit mir auf 14 m² (Der Verfasser)). Selbst 1966 gab es bei den beiden neuerbauten Hochhäusern an der Brahmsstraße noch 500 Bewerber für eine Wohnung.
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Ihren Namen haben sie von ihrem Erfinder, dem kanadischen Ingenieur '''Peter Norman Nissen''' (1871-1930)<ref>Wikipedia</ref>, der als Offizier der Royal Army diese Blechhütten bereits im Ersten Weltkrieg entwickelte.
  
Aus dieser Situation begann man 1945 mit dem Bau von 100 Wellblechbaracken, genannt Nissenhütten; zur Hälfte am Brockesweg, zur Hälfte am Ackerweg, der heutigen Wagnerstraße. Es steht zu vermuten, dass die Baracken des Brockesweges auf dem Gelände des ehemaligen [[Gaswerk|Westarbeitslagers]], einer Unterkunft für Zwangsarbeiter des II. Weltkrieges, errichtet wurden.
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Die Bevölkerungszahl lag durch die Flüchtlinge im Oktober [[1946]] bei 125 % der Vorkriegsmenge. Gerechnet mit dem verbliebenen Wohnraum und der zusätzlichen Einquartierung englischer Besatzer, die für sich bereits 1500 Wohnräume requirierten, blieben pro Person im Extremfall 4 m² übrig. Selbst 1966 gab es bei den beiden neu erbauten [[Punkthaus|Hochhäusern]] an der [[Brahmsstraße]] noch 500 Bewerber für eine Wohnung.
  
Die Hütten bestanden aus doppelwandigem Wellblech, unisoliert, die Kopfenden mit Holzwänden abgeschlossen. Der Fußboden aus blankem Estrich. Innen wurden sie mit Heraklitplatten, den sogenannten Sauerkrautplatten, verkleidet; ebenfalls unisoliert. Der Rest war Privatsache, z.B. Fischkistenbretter als Fußboden. Und auch hier bis zu sechzehn Personen auf 66 m².
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Aus dieser Situation begann man [[1945]] mit dem Bau von 100 Wellblechbaracken, genannt Nissenhütten; zur Hälfte am [[Brockesweg]], zur Hälfte am Ackerweg, der heutigen [[Wagnerstraße]]. Vermutlich wurden die Baracken des Brockesweges auf dem Gelände des ehemaligen [[Gaswerk|Westarbeitslagers]], einer Unterkunft für Zwangsarbeiter des II. Weltkrieges, errichtet.
Das Ergebnis waren im Winter Innentemperaturen von bis -10 Grad und Eis an Wänden und Decke, die sich folglich am Tage als Tropfsteinhöhlen darstellten. Aber dafür war es dann im Sommer unendlich heiss unter dem Blech. Kein Strom, keine Wasserversorgung, keine Sanitäreinrichtungen. Vorhanden waren ein Waschhaus mit mehreren Betonbadebecken für alle Lagerbewohner und eine Baracke mit eingeteilten Zellen pro Familie als Toilette.  
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Zusätzlich gab es in der Nachkriegszeit natürlich auch nix zu heizen. Da Cuxhaven am Ende der Transportwege liegt ging auf dem Weg bis dahin alles `verloren´ - Lastwagen, wenn es sie denn gab, ja ganze Zugladungen. Von 300 Zentnern Brikett kamen noch 30 an oder: Von zwei Wagonladungen Braunkohle (ansich schon schlechter Qualität) war ein Wagon leer und ausgefegt und in dem zweiten lag noch ein Brikett. 35 der 50 Fischdampfer konnte aus Kohlemangel nicht auslaufen. So mussten z.B. die Duhner Badebrücke oder das Döser Familienbad verheizt. Aber auch der Kohlenhändler Herbert Fitter, Schul- und andere Behördenkeller waren nicht sicher vor Kohlendiebstahl. Von in Brockeswalde exhumierten britischen Soldaten, die nach England überführt wurden, wurden die Särge verheizt. Kohlefahrzeuge wurden bis zur `feindlichen´ Nachbarstraße verfolgt, um die Straße von runtergefallenen Kohlen sauber zu halten. Und man zog aufs Land, um Torf zu stechen. Auch an der Döser Wettern wurde Torf gestochen.<br/>
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Die Hütten bestanden aus doppelwandigem Wellblech, unisoliert, die Kopfenden mit Holzwänden abgeschlossen. Der Fußboden bestand aus blankem Estrich. Innen wurden sie mit Heraklitplatten, den so genannten Sauerkrautplatten, verkleidet; die ebenfalls unisoliert waren. Fischkistenbretter dienten manchen Bewohnern als Fußboden. Bis zu sechzehn Personen mussten auf 66 m² leben.
Die Not war der Zeit so groß, dass selbst auf dem heutigen Parkplatz an der Alten Liebe Kartoffeln angepflanzt wurden.
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Das Ergebnis waren im Winter Innentemperaturen von bis -10 Grad und Eis an Wänden und Decke, die sich folglich am Tage als Tropfsteinhöhlen darstellten. Dafür war es dann im Sommer unendlich heiss unter dem Blech. Es gab keinen Strom, keine Wasserversorgung und keine Sanitäreinrichtungen. Vorhanden waren ein Waschhaus mit mehreren Betonbadebecken für alle Lagerbewohner und eine Baracke mit eingeteilten Zellen pro Familie als Toilette.  
  
1957 wurden die Baracken dann weggerissen.
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Zusätzlich gab es in der Nachkriegszeit auch nichts zu heizen. Da Cuxhaven am Ende der Transportwege lag, ging auf dem Weg bis dahin alles `verloren´ - Lastwagen, wenn es sie denn gab, ja ganze Zugladungen. Von 300 Zentnern Brikett kamen noch 30 an oder: Von zwei Waggonladungen Braunkohle (an sich schon schlechter Qualität) war ein Waggon leer und ausgefegt und in dem zweiten lag noch ein Brikett. 35 der 50 [[Fischdampfer]] konnten wegen Kohlemangel nicht auslaufen. So wurden z.B. die Duhner Badebrücke oder das Döser Familienbad in Wärme umgewandelt. Auch der Kohlenhändler Herbert Fitter am Bauhof, heute [[Werner-Kammann-Straße]], Schul- und andere Behördenkeller waren nicht sicher vor Kohlendiebstahl. Von in [[Brockeswald]]e exhumierten britischen Soldaten, die nach England überführt wurden, wurden die Särge verheizt. Kohlefahrzeuge wurden bis zur `feindlichen´ Nachbarstraße verfolgt, um die Straße von heruntergefallenen Kohlen sauber zu halten. Außerdem zog man aufs Land, um Torf zu stechen. Auch an der [[Döser Wettern]] wurde Torf gestochen.<br/>
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Die Not war seinerzeit so groß, dass selbst auf dem heutigen Parkplatz an der [[Alte Liebe|Alten Liebe]] Kartoffeln angepflanzt wurden.
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Torsten Thees: Cuxhavener Alltag 1945-1948, herausgegeben von der Stadt Cuxhaven aus Anlaß der 50jährigen Wiederkehr des Kriegsendes
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[[Kategorie:Bauwerke(Chronik)]]
 
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[[Kategorie:Geschichte]]
 
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Aktuelle Version vom 1. Februar 2012, 21:45 Uhr

Nissenhütten

Die Cuxhavener Nissenhütten waren Nachkriegs-Notunterkünfte.

Ihren Namen haben sie von ihrem Erfinder, dem kanadischen Ingenieur Peter Norman Nissen (1871-1930)[1], der als Offizier der Royal Army diese Blechhütten bereits im Ersten Weltkrieg entwickelte.

Die Bevölkerungszahl lag durch die Flüchtlinge im Oktober 1946 bei 125 % der Vorkriegsmenge. Gerechnet mit dem verbliebenen Wohnraum und der zusätzlichen Einquartierung englischer Besatzer, die für sich bereits 1500 Wohnräume requirierten, blieben pro Person im Extremfall 4 m² übrig. Selbst 1966 gab es bei den beiden neu erbauten Hochhäusern an der Brahmsstraße noch 500 Bewerber für eine Wohnung.

Aus dieser Situation begann man 1945 mit dem Bau von 100 Wellblechbaracken, genannt Nissenhütten; zur Hälfte am Brockesweg, zur Hälfte am Ackerweg, der heutigen Wagnerstraße. Vermutlich wurden die Baracken des Brockesweges auf dem Gelände des ehemaligen Westarbeitslagers, einer Unterkunft für Zwangsarbeiter des II. Weltkrieges, errichtet.

Die Hütten bestanden aus doppelwandigem Wellblech, unisoliert, die Kopfenden mit Holzwänden abgeschlossen. Der Fußboden bestand aus blankem Estrich. Innen wurden sie mit Heraklitplatten, den so genannten Sauerkrautplatten, verkleidet; die ebenfalls unisoliert waren. Fischkistenbretter dienten manchen Bewohnern als Fußboden. Bis zu sechzehn Personen mussten auf 66 m² leben. Das Ergebnis waren im Winter Innentemperaturen von bis -10 Grad und Eis an Wänden und Decke, die sich folglich am Tage als Tropfsteinhöhlen darstellten. Dafür war es dann im Sommer unendlich heiss unter dem Blech. Es gab keinen Strom, keine Wasserversorgung und keine Sanitäreinrichtungen. Vorhanden waren ein Waschhaus mit mehreren Betonbadebecken für alle Lagerbewohner und eine Baracke mit eingeteilten Zellen pro Familie als Toilette.

Zusätzlich gab es in der Nachkriegszeit auch nichts zu heizen. Da Cuxhaven am Ende der Transportwege lag, ging auf dem Weg bis dahin alles `verloren´ - Lastwagen, wenn es sie denn gab, ja ganze Zugladungen. Von 300 Zentnern Brikett kamen noch 30 an oder: Von zwei Waggonladungen Braunkohle (an sich schon schlechter Qualität) war ein Waggon leer und ausgefegt und in dem zweiten lag noch ein Brikett. 35 der 50 Fischdampfer konnten wegen Kohlemangel nicht auslaufen. So wurden z.B. die Duhner Badebrücke oder das Döser Familienbad in Wärme umgewandelt. Auch der Kohlenhändler Herbert Fitter am Bauhof, heute Werner-Kammann-Straße, Schul- und andere Behördenkeller waren nicht sicher vor Kohlendiebstahl. Von in Brockeswalde exhumierten britischen Soldaten, die nach England überführt wurden, wurden die Särge verheizt. Kohlefahrzeuge wurden bis zur `feindlichen´ Nachbarstraße verfolgt, um die Straße von heruntergefallenen Kohlen sauber zu halten. Außerdem zog man aufs Land, um Torf zu stechen. Auch an der Döser Wettern wurde Torf gestochen.
Die Not war seinerzeit so groß, dass selbst auf dem heutigen Parkplatz an der Alten Liebe Kartoffeln angepflanzt wurden.

1957 wurden die Baracken dann abgerissen.

Bilder

Literatur

Torsten Thees: Cuxhavener Alltag 1945-1948, herausgegeben von der Stadt Cuxhaven aus Anlaß der 50jährigen Wiederkehr des Kriegsendes


Fußnoten

  1. Wikipedia